
Tim Cook als neuer Chef der Design-Teams: Was bedeutet das für die Zukunft – und wie sah der Weg dahin aus?


Es klingt zunächst nach einer paradoxen Situation, soll nun ein Manager an der Spitze der Design-Abteilungen stehen, welcher kaum unterschiedlicher zu einem Jony Ive oder auch den Visionen eines Steve Jobs sein könnte. Man tut Cook allerdings unrecht, wenn man die Jobs-Aussage "Tim is no product guy" gleichsetzt mit "ihm ist egal, wie es aussieht" – denn das trifft definitiv nicht zu. Cook galt durchaus als Bewunderer von Ive und dessen Design sowie anmutiger Gestaltung, wenngleich ihm die Ader fehlt, sich als aktiver Gestalter vom Schlage eines Steve Jobs einzubringen. Wir fassen in diesem Artikel die vier großen Design-Epochen vor Cook zusammen und überlegen, was die jüngste
Umstrukturierung wohl zu bedeuten hat – natürlich immer vorausgesetzt, es handelt sich um eine langfristige Lösung.
Vor 1997Sieht man einmal von der bevorzugten Farbgestaltung der beigefarbenen Gehäuse ab, gab es kurz vor der Jobs-Rückkehr und vor dem Aufstieg Jony Ives keine wirklich kohärente Gestaltung. Dutzende Produktlinien mit teils verwirrenden Bezeichnungen und uneinheitliches Industriedesign prägten das Bild. Die Designabteilung war nicht strategisch in der Unternehmensführung verankert, sondern eine Dienststelle zur Umsetzung von technischen Vorgaben. Entscheidungen wurden aus Vertriebs- und Finanzsicht getroffen, aber kaum mit Blick auf Emotionen, Nutzererlebnis und Eleganz.
Die Jobs-/Ive-ÄraJobs setzte nach seiner Rückkehr nicht nur zum radikalen Kahlschlag an, sondern hob Design auf den Status einer zentralen Strategie empor. Ive wurde von einem bedeutungslosen Designer zum kreativen Zentrum – Jobs und Ive agierten als perfektes Duo und gegenseitiges Korrektiv. Reduktion auf das Wesentliche, saubere Geometrie und Haptik, einen Schwerpunkt auf "es muss sich gut anfühlen und Emotionen wecken" sowie mutige und stilprägende Entscheidungen ließen viele ikonische Produkte entstehen.
Die Ive-alleine-ÄraNach dem Tod von Steve Jobs erhielt Ive zunächst noch wesentlich mehr Macht – und zwar auf jegliches Design im Unternehmen. Tim Cook überließ ihm große Freiheiten, brachte sich selbst aber kaum kreativ ein. Jobs war allerdings wesentlich pragmatischer, als man ihm gemeinhin nachsagte. Das Korrektiv, nämlich Ausrichtung auf den Nutzer und dessen Möglichkeiten, fehlte Ive. Man kann durchaus von einer Radikalisierung des Designs sprechen, denn noch stärker als zuvor hatte sich alles seinen Vorstellungen zu unterwerfen. "Extrem dünn" und "vereinfachen" war oft wichtiger, als den Nutzwert in den Vordergrund zu stellen. Die neue UI aus iOS 7 ist ein Beispiel dafür (flach, farbintensiv, aber nicht sehr lesefreundlich), allerdings auch gnadenloses Streichen von Anschlüssen. Oft hörte man, ihm gingen langsam die Ideen aus, gleichzeitig sagte man ihm nachlassendes Interesse am Tagesgeschäft, wenig Anwesenheit im Büro und zunehmendes Delegieren nach. Der komplette Rückzug erfolgte 2019.
Von Ive auf Williams2019 wurden die Design-Teams dem Chief Operating Officer Jeff Williams unterstellt, obwohl dessen Erfahrungen ebenfalls mehr in "Operations" als in "Products" lagen. Gleichzeitig entstanden die neuen Bereiche "Industrial Design" (Evans Hankey) und "Human Interface Design" (Alan Dye). Man kann dies durchaus als Hinwendung zum Teamsport anstatt zu Chefsache mit starker Handschrift bezeichnen. Auswirkungen gab es durchaus, denn die Geräte wurden reparaturfreundlicher, angeschaffte Schnittstellen und Anschlüsse kamen zurück – und lieber baute man das MacBook Pro (ab 2021) etwas dicker, als technische Kompromisse eingehen zu müssen. Das Design blieb hochwertig, doch die in der Ive-Zeit geltende Arbeitsweise, dass sich Ingenieure der Produktgestaltung unterzuordnen hatten, galt so nicht mehr. Emotionale "Wow-Effekte" durch revolutionäre Ästhetik blieben aus, dies zugunsten pragmatischerer und technik-orientierterer Ansätze.
