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Kommentar | T-Mobile vs. Vodafone: Warum das Gericht nur so entscheiden konnte...

... und sich trotzdem nicht viel verändern wird

... und sich trotzdem nicht viel verändern wird

Gestern hat das Oberlandesgericht Hamburg im Fall T-Mobile vs. Vodafone entschieden und keinen Grund für Kartellrechtsverstöße oder unlauteren Wettbewerb feststellen können. Vodafone hatte gegen den Exklusivvertrieb des iPhones durch die Deutsche Telekom geklagt. Die Verträge, die Apple in Deutschland mit T-Mobile zur Vermarktung des Telefons schloss, sind somit rechtens, T-Mobile muss kein entsperrtes iPhone anbieten, das auch mit Karten anderer Mobilfunkprovider betrieben werden kann.

Wie sind die gesetzlichen Grundlagen?

Vodafone hatte sich bei der Argumentation gegen T-Mobile auf zwei Kernaussagen bezogen: unlauterer Wettbewerb sowie einen Verstoß gegen das Kartellrecht. Beidem sind die Richter nicht gefolgt - und das ist durchaus nachvollziehbar, wenn man sich die Sache etwas genauer ansieht.

Unlauterer Wettbewerb sind Unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Dies sei unzulässig.

Wo besteht also in der Exklusivvereinbarung zwischen Apple und T-Mobile eine unlautere Wettbewerbshandlung? Das iPhone ist im freien Handel für jedermann bei der Telekom erhältlich, in Kombination mit einem Vertrag, wie hunderte anderer Mobiltelefone bei zig anderen Anbietern auch; eine Kombination von Telefonen und Verträgen bzw. Prepaid-Angeboten gibt es bei jedem Mobilfunkprovider. Einzelne Telefone sind bei einigen Providern mit bestimmten Verträgen erhältlich, bei anderen wiederum nicht.

Konkret: man bekommt nicht jedes x-beliebige Telefon mit jedem x-beliebigen Vertrag. Der von vielen hochgeschriebene iPhone-Konkurrent Qbowl von Samsung ist ebenfalls exklusiv nur bei Vodafone erhältlich - genau wie das iPhone bei der Telekom, sogar zum gleichen Preis. Das Gericht hätte also entweder die geltende Rechtslage komplett kippen müssen (was konkret heißen würde, dass jegliche Telefone ohne Koppelung an irgendeinen Vertrag oder Anbieter verkauft hätten werden müssen, also jedes Telefon mit prinzipiell jedem Angebot kombiniert werden könnte) oder es konnte die geltende Lage bestätigen.

Ist der Mobilfunkmarkt bisher wirklich frei?

Eine direkte Konsequenz einer Nichtbestätigung wäre gewesen, dass man in Deutschland keine subventionierten Handys mehr hätte kaufen können: Tarife mit einem Telefon für 1 € wären dann nicht mehr rechtskonform gewesen, da diese Subventionen an die jeweiligen Verträge gekoppelt sind. Freiheit für alle - aber dann mit Telefonen, die ausschließlich ab 300 € aufwärts zu haben sind, bis hin zu 1400-, 1600-€-Telefonen? Das mobile Telefon als Luxusobjekt? Das wäre die direkte Folge gewesen. Samsung/SonyEriccsson/Gravis/Motorola-Stores, die Telefone separat verkaufen, danach zum Mobilfunkprovider, der das teure Gerät mit jeglichem Vertrag versieht - die neue Realität. In letzter Konsequenz wäre eine solche Umkrempelung des Marktes eher zum Nachteil des Verbrauchers gewesen als zu dessem Vorteil.

Apple als Hersteller hat vorab mit führenden Mobilfunkprovidern Verhandlungen über den Vertrieb des Telefons geführt, Vodafone war beteiligt. Der Vorschlag von Apple, dem Anbieter ein Exklusivrecht zu gewähren, im Gegenzug eine Umsatzbeteiligung zu bekommen, war für Vodafone nicht akzeptabel; für die Telekom war's das wert. Ein unlauterer Wettbewerb zum Nachteil eines Mitbewerbers - wenn man ihn vorher zu Verhandlungen einlädt? Nicht wirklich nachvollziehbar. Auch das übrigens ein Grund, weshalb sich nun hinterher viele freuen - der Vorstoß von Vodafone birgt in sich eben schon eine gewisse Scheinheiligkeit.

Vodafone war in den Verhandlungsprozess eingebunden

Das Kartellrecht schützt nicht Lauterkeit und Fairness des Wettbewerbs, sondern es soll Kartelle verbieten und Kartellbestrebungen überprüfen. Desweiteren soll der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verhindert und Unternehmenszusammenschlüsse kontrolliert werden. Da eine Fusion von T-Mobile und Apple in naher Zukunft wohl eher unwahrscheinlich ist, sind die beiden anderen angesprochenen Punkte von eigentlichem Interesse.

Fangen wir also an: liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor? Der Mobilfunkmarkt ist einer der größten weltweit, mit unvorstellbaren Absatzzahlen: Nokia verkauft in einem Monat mehr Telefone als je weltweit iPods verkauft worden sind. Apple ist Newcomer in diesem Gebiet, eine irgendwie geartete marktbeherrschende Stellung und deren Missbrauch ist abwegig. Die Telekom ist zwar nach wie vor größter Mobilfunkanbieter Deutschlands, jedoch von einer marktbeherrschenden Stellung (wie z.B. Microsoft bei Windows) immer noch um einiges entfernt. Auch wenn die Telekom einen 90\%-Marktanteil hätte, wäre das ebenfalls kein Argument für ein Einschreiten der Justiz: erst, wenn die Telekom das ausnutzen wollte, könnte man kartellrechtlich einschreiten. Niemand wird jedoch von der Telekom zu einem iPhone oder zu den iPhone-Verträgen gezwungen - ein Missbrauch liegt also nicht vor.

Das Kartellrecht regelt nicht die Fairness des Marktes

Bleibt die Frage, ob der Apple-Telekom-Deal vielleicht nicht doch eine Absprache zur Verhinderung von Wettbewerb ist? Allgemein wird ein Kartell folgendermaßen definiert: Im Sinne des Kartellrechts ist ein Kartell eine Vereinbarung oder eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise von Unternehmen, mit dem Ziel oder der Wirkung, den Wettbewerb zu beschränken.
Die Telekom und Apple haben ganz klar eine Vereinbarung geschlossen, es findet auch eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise der beiden Unternehmen statt (s. Visual Voicemail), und man kann durchaus meinen, durch den Exklusivvertrieb wird der Wettbewerb beschränkt - was insofern auch zutrifft, weil das Telefon eben nicht mit jedem Provider und jedem Vertrag kombiniert werden kann. In speziellen Fällen kann der Gesetzgeber aber Unternehmen von dieser Regelung ausnehmen - wenn z.B. ein sogenanntes Rationalisierungskartell vorliegt. Ein solches Kartell ist eine Absprache, die wegen seiner positiven Auswirkungen genehmigt werden kann. Gegenüber dem normalen Kartell zeichnet sich das Rationalisierungskartell dadurch aus, dass es die Leistungsfähigkeit oder Wirtschaftlichkeit der beteiligten Unternehmen verbessert (z. B. in technischer, betriebswirtschaftlicher oder organisatorischer Beziehung) und dadurch Vorteile auch für den Verbraucher erzeugt.
Durch die Bindung des iPhones ergeben sich genau diese positiven Auswirkungen und Vorteile für den Verbraucher: eine flächendeckende EDGE-Versorgung, ein konstant verfügbares Mobilfunknetz, Zusatzdienste wie Visual Voicemail, das andere Anbieter bisher nicht anbieten - alles Positives, was sich durch die Bindung an T-Mobile direkt für den Verbraucher ergibt. Kartelle, die dies anbieten, sind vom Kartellrecht explizit ausgenommen.

Nuance im Tarifdschungel, keine tiefgreifenden Veränderungen

Deshalb ist der Gerichtsbeschluss, wie er gestern ergangen ist, in Ordnung - jegliche andere Entscheidung hätte zu Auswirkungen geführt, die für den Mobilfunkmarkt in Deutschland eher kontraproduktiv gewesen wären. Es ist natürlich ärgerlich für die Leute, die auf ein freies iPhone aus unterschiedlichen Gründen gehofft haben - aber diese Exklusivvereinbarung wird den Markt nicht global umkrempeln. Es wird eine Nuance im schon bestehenden Tarifdschungel hinzugefügt - einzelne Telefone werden in Zukunft exklusiv bei Anbietern erworben werden können, aber die großen Hersteller, die Massen absetzen, werden kein gesteigertes Interesse an einem eingeschränkten Kundenkreis haben. Der Verbraucher entscheidet nach wie vor noch über Erfolg oder Mißerfolg eines Telefons am Markt - und das ist eben generell eine Kombination aus Herstellerdiensten (logische Benutzerführung, ansprechende Optik) und eines attraktiven Angebots eines Mobilfunkunternehmens (Vertrag/Prepaid, Frei-SMS, Freiminuten etc.). Apple versucht, genau das mit dem iPhone zu kombinieren. Anscheinend bisher recht erfolgreich.