

Gleich vorweg: Selbstverständlich gibt es noch Unzähliges, das sich erdenken lässt. In 50 oder 100 Jahren wird unser aktueller technologischer Stand wohl reichlich antiquiert wirken – und die angebliche, aber so nie getroffene Aussage von Charles H. Duell "jetzt ist wirklich alles erfunden, was man erfinden kann" wird höchstwahrscheinlich niemals zutreffen. In diesem Artikel soll es aber nicht um Zukunftsforschung oder Science Fiction, sondern um einen Blick auf den aktuellen Markt gehen. Oft wirft man Apple und Big Tech vor, immer nur das jährlich gleiche Programm abzuspulen, ohne dass es wirkliche Neuerungen gibt. Als oft genanntes Beispiel gilt, wie viele technische Revolutionen die 00er und 10er Jahre mit sich brachten, wohingegen man bei iPhone und Co. nur Produktpflege sieht. Doch ist das ein haltbarer Gedankengang?
Beispiele für neuerfundene MärkteDas Ausbleiben von Revolutionen lässt sich dabei schon einmal nicht feststellen. Der KI-Boom der letzten zweieinhalb Jahre verändert gerade die Welt, was eindeutig eine der großen Zäsuren der Techwelt ist. Dass Apple hier nicht besonders glänzt, ist eine andere Frage, doch dürfte es dem Unternehmen wohl gelingen, nicht gänzlich abgehängt zu werden. Im Hardwarebereich sah es in den letzten Jahren branchenweit indes etwas anders aus. Werfen wir einen Blick auf einige Beispiele, was in den letzten 25 Jahren passierte:
- iPod (2001): Musik neu gedacht
- iPhone (2007): Computer für die Hosentasche
- iPad (2010): neue Gerätekategorie
- Apple Watch (2014/2015): Computer am Handgelenk
- AirPods 2016: kabelloses Musikhören massentauglich
- Vision Pro 2023: technologisch beeindruckend, aber für wen gemacht?
Jeder Lebensbereich ist durchdrungenDamit ist so ziemlich jeder Lebensbereich mit Consumer-Technologie durchdrungen. Ein besseres iPhone, ganz gleich wie gut es ist, kann niemals ein 2007 wiederholen. Die Apple Watch könnte vielleicht eines Tages einem Computerring weichen, und in noch ferneren Tagen übernimmt vielleicht die Kontaktlinse im Auge alle Computeraufgaben – doch das ist kein Szenario für die kommenden Jahre. Beim Mac stellte der Umstieg auf ARM-Chips eine technische Revolution dar, ein ähnlicher Sprung dürfte schwer zu wiederholen sein.
Hardware ist einfach gut genugApple erkannte das offensichtlich vor Jahren, weswegen man derart viel in eine langfristige Dienstestrategie investierte (siehe auch unser kürzlich erschienener
Artikel). Das Auto wäre ein zusätzlicher, essenzieller Lebensbereich gewesen, doch hier legte Apple die Entwicklung komplett still. Abgesehen davon gibt es jedoch keine niedrig hängenden Früchte mehr zu pflücken – also klassische Märkte mit neuen Absätzen zu betreten, die man digitalisieren und revolutionieren kann. Der Medizinbereich wäre ein solcher – und Apple zeigt sich mit der Apple Watch und Health-Forschung außerordentlich umtriebig – doch hier lässt sich eher eine stillere Revolution, bestehend aus vielen Puzzlestücken beobachten.
Selbst für inkrementelle Upgrades wird es mit den momentan verfügbaren Produkten immer schwerer. Es ist weitgehend egal, ob ein Prozessor 10 Prozent schneller, ein Display hochauflösender oder ein Akku etwas kapazitätsstärker wird. Fast alles ist inzwischen schlicht "gut genug" für die Massen. Das wiederum sah vor 20 Jahren noch ganz anders aus.
Nicht jede Revolution hat ein PreisschildEs ist jedoch eine etwas zu verengte Sichtweise, sich nur auf einzelne Produktkategorien zu versteifen. Wie man schon am Beispiel Apple Watch und Health sieht, kann es sich um schleichende Entwicklungen handeln. Eine davon ist das Apple-Ökosystem an sich: Die Vernetztheit aller Geräte untereinander ist eine maßgebliche Errungenschaft, welche produktspezifisches Denken sprengt. Austausch von Daten und Arbeiten über Devicegrenzen an sich war in jedem Fall eine der wichtigsten Innovationen.
Das Zeitalter der IntegrationTechnisch wäre vieles möglich – aber möglicherweise geht es derzeit gar nicht mehr darum, Neues zu zeigen, sondern vor allem darum, alles Bestehende sinnvoll zu verbinden. Vielleicht ist das der wahre Innovationsauftrag, den Big Tech mehr oder weniger erfolgreich bearbeitet. Nicht durch radikale Brüche zu glänzen, sondern sich durch kohärente Weiterentwicklung und durchdachte, unaufdringliche Innovationen nahtlos in unseren Alltag einzufügen. Die großen technologischen Bausteine sind gelegt, die Grundlagen geschaffen – doch deren Potenzial längst nicht ausgereizt.
Es sind neue Formen der InnovationApple hat in der Vergangenheit nicht nur Geräte erfunden, sondern ganze Denkweisen geprägt: wie wir Musik hören, wie wir mit Computern umgehen, wie wir digitale Inhalte kaufen. Doch in einer zunehmend komplexen Welt bräuchte es heute auch andere Formen der Innovation – etwa neue Wege, mit Datenschutz, Künstlicher Intelligenz oder Nachhaltigkeit umzugehen. Technologische Spitzenleistung allein genügt nicht mehr.
..oder es bedürfte neuer DenkansätzeUm also ein Fazit zu ziehen: Die Zeit der "ganz neuen Hardware" ist wohl vorläufig vorbei – und dennoch kann nicht die Rede davon sein, Big Tech stehe still. Es ist oft nicht mehr so spannend und offensichtlich, wie in den 00er Jahren, doch die aktuelle Techwelt hat sich selbst mit bestehenden Plattformen noch nicht "auserfunden" – wie man unter anderem am Bereich KI sieht.
Doch was wären ganz neue Denkansätze? Vielleicht ein iPhone oder Mac, die nicht mehr regelmäßig komplett erneuert werden müssen, sondern modular aufgebaut sind – nachhaltiger, langlebiger, reparierbarer? Geräte, die bewusst als Brücke agieren, z. B. nahtlose Zusammenarbeit mit Android, Windows, Open Source – Apple also als Vermittler weltweiter Zusammenarbeit anstatt als Plattformwächter? Diskutieren Sie doch mit, welche Ideen oder Vorstellungen Sie haben, was als "die nächste Revolution" in der Apple-Welt gelten könnte!