
Mac-Praxis: Clippings – eine visuelle Zwischenablage, die bis heute funktioniert


Die Zwischenablage ist eine der revolutionären Funktionen des IT-Zeitalters, die nicht genug gepriesen werden kann: Anwender markieren eine bestimmte Information, etwa einen Textabsatz, ein Bild oder ein Audiofragment, und wählen "Kopieren" aus dem Bearbeiten-Menü. Der "Einfügen"-Befehl bringt daraufhin diese Information in ein zweites Dokument, auch in einem anderen Programm. Dieser Mechanismus erspart Anwendern eine Unmenge Arbeit. Die einzige Hürde: Die Mac-Zwischenablage merkt sich nur einen Inhalt. Mit der Veröffentlichung von Mac OS 7.5 im Jahr 1994 wollte Apple mittels Textclips Abhilfe schaffen: Zieht man markierten Text mit der Maus auf den Schreibtisch, entsteht eine kleine Datei. Diese lässt sich dann in jedes Dokument ziehen, welches Text akzeptiert. Eine visuelle, per Finder organisierbare Vorlagenverwaltung entstand. Diese funktioniert bis heute noch – allerdings mit einigen Einschränkungen.
In den Folgejahren wurden die Textclippings (im Deutschen: Textclips) durch zwei Sonderformen ergänzt, erklärt Howard Oakley in seinem aktuellen
Blog-Beitrag: Zieht man Internet- oder E-Mail-Adressen in ein Finder-Fenster oder auf den Schreibtisch, entsteht eine Web- respektive Mail-Location (.webloc beziehungsweise .mailloc). Obwohl diese Formate im klassischen MacOS entsprangen, funktioniert dies bis hinauf zu macOS 26 (Tahoe).
Textclips tauchten erstmals in macOS 7.5 auf.
FormatwechselBeim Wechsel vom klassischen Mac OS zum UNIX-basierten MacOS X veränderte Apple die Dateistruktur der Clippings: Ursprünglich war der Textinhalt der Clippings in der Ressource-Fork untergebracht; diese spielte in Mac OS X keine Rolle mehr. Darum wurde der Inhalt zusätzlich im Plist-Format im Datenbereich (Data Fork) abgelegt. Vor kurzem änderte Apple hier abermals das Format: Nun sind Inhalte als Binary Property List (bplist) inkludiert. In einem
Folgeartikel betrachtet Oakley detailliert, wie der mittlerweile in den erweiterten Attributen untergebrachte Ressourcenteil und der inhaltsgleiche Datenteil von Textclips aufgebaut sind.
In macOS 26 (Tahoe) gibt es Textclips, Weblocs und Maillocs (v.l.n.r.) weiterhin.
Probleme lösen mit alten ClippingsWer einen alten Mac reanimiert und dessen Dateien auf neuere Geräte überträgt, kann bei einem historischen Clip-Bestand auf Probleme treffen: Oakley berichtet, dass vor 2015 erzeugte Schnipsel in aktuellen Systemen nicht mehr funktionieren. In diesem Fall empfiehlt er zunächst, die Dateigröße zu überprüfen: Solange diese größer ist als 0 Kilobyte, besteht Hoffnung. In diesem Fall sollten Anwender das Clipping auf ein leeres TextEdit-Fenster ziehen. Alternativ führt das Öffnen der Clipping-Datei mit
BBedit oder einem anderen Texteditor mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg. Auch die Finder-Übersicht (Datei auswählen und Leertaste drücken) kann oftmals Inhalte zum Vorschein bringen.
Letzte Rettung XcodeScheitern diese Methoden, bleibt noch ein in Xcode integriertes Kommandozeilenwerkzeug namens DeRez. Wer Apples kostenlose Entwicklungsumgebung installiert hat, kann mittels eines Terminalbefehls einen Versuch unternehmen, die in der Ressource Fork vergrabenen Inhalte zu bergen:
DeRez Clip > Clipinhalt.txt
Dieser Befehl schreibt den Inhalt einer Datei namens "Clip" im aktuellen Verzeichnis in eine neue Textdatei mit dem Namen "Clipinhalt.txt". Darin erscheinen oftmals mehrere Versionen desselben Inhalts, sowohl im Binär- als auch im Klartextformat. In TextEdit können Sie den Inhalt der schmalen, über mehrere Zeilen gehenden Inhalt recht einfach extrahieren:
- Scrollen Sie zum Bereich, welcher mit "data ‘utf8'" überschrieben ist.
- Bewegen Sie den Mauszeiger zum Beginn des Textbereichs, hinter die Kommentarkennzeichnung "/* ".
- Halten Sie die -Taste gedrückt – der Mauszeiger verwandelt sich in ein Fadenkreuz
- Klicken und ziehen Sie den Mauszeiger bis zum unteren Ende der Textspalte, um den Bereich zeilenübergreifend zu markieren.
- Wählen Sie "Kopieren" aus dem Bearbeiten-Menü (Tastenkürzel +C).
Etwas Nachbearbeitung des kopierten Textinhalts ist noch nötig. Sie müssen etwa die vielen Zeilenübergänge entfernen und eventuell falsche Sonderzeichen ersetzen.
Der via Terminalbefehl extrahierte Inhalt lässt sich in TextEdit mit gedrückter option-Taste leicht markieren.