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Apples News-Dienst: Sind 50% Anteil reine Gier? Die Branche diskutiert Pro und Contra

Apple verhandelt hinter verschlossenen Türen mit Print-Verlagen über die Teilnahme an dem News-Dienst, den Apple angeblich am 25. März der Öffentlichkeit vorstellen will. Nachdem herausgekommen ist, dass der Plattform-Betreiber 50 Prozent des Umsatzes behalten möchte, diskutieren Experten Sinn und Höhe der Offerte. Dabei könnten die Meinungen nicht unterschiedlicher ausfallen.


Newsstand 2.0: „Netflix für News“
Bereits vor einem Jahr kamen Berichte ans Tageslicht, Apple plane eine Zeitschriften-Flatrate. Der iPhone-Konzern hatte schon einmal mit Newsstand einen digitalen Zeitschriften-Kiosk gestartet. Dort schlossen die Leser allerdings direkt mit den Verlagen Abos ab. Schließlich kaufte das Unternehmen „Texture“. Der Abo-Dienst hielt einen großen Katalog an Publikationen bereit und gewährte den Lesern für 10 Dollar pro Monat freien Zugriff darauf. Ein ähnliches Vorgehen hat Apple bereits bei der Übernahme von „Beats“ gezeigt: Der Technologie-Riese übernimmt einen bestehenden Streaming-Dienst, baut ihn um und startet wenig später ein quasi identisches Angebot unter neuem Namen. Beobachter bezeichnen die geplante Flatrate bereits als „Netflix für News“. Sie solle gemeinsam mit anderen Diensten die stagnierenden iPhone-Verkäufe auffangen und Apples Service-Sparte zu starkem Wachstum verhelfen, heißt es.

John Gruber: Nicht nur gierig, sondern verrückt
Der Mac-Veteran und Betreiber des Blogs Daring Fireball berichtete vom Widerstand in der Verlagsbranche. Apple habe den Dienst so konzipiert, dass die Leser unbegrenzt Inhalte für 10 US-Dollar im Monat abrufen können. Für die Bereitstellung der Plattform fordert der Konzern die Hälfte des Umsatzes. Die andere Hälfte soll in einen Pool wandern, der unter den Verlagen je nach Benutzerinteresse aufgeteilt wird. Gruber argumentiert, die Margen im Nachrichtengeschäft seien sowieso sehr niedrig. Angesichts dessen erscheinte schon der 70/30-Split, den Apple etwa beim App Store vornimmt, „etwas gierig“. Die Hälfte des Umsatzes zu verlangen, hält Gruber für „verrückt“.

Casey Newton (TheVerge): Viel Aufwand für minimalen Gewinn
Hauptsächlich Casey Newton schreibt bei The Verge die Nachrichten über das Silicon Valley. Er geht das Problem vonseiten der Verlage an und fragt: „Wie hoch könnten die Einnahmen eines solchen Systems für die Verleger sein?” Als Antwort zieht er das Beispiel von YouTube Red heran, einem werbefreien Angebot des Webvideo-Giganten, das auf einem ähnlichen System basiert. Selbst die erfolgreichen Angebote machten in dem System kaum Gewinn. Das Problem liege im Wettbewerb zwischen den Publishern: Der Gewinnanteil jedes einzelnen sinke, umso mehr Anbieter auf die Plattform gehen. Newton erwähnt einen Anbieter bei YouTube Red, der abzüglich der Werbeaufwendungen für das Angebot eine Rendite von unter einem Prozent erzielt. Der Journalist gibt zu bedenken, dass die Verlage für Apples „News-Netflix” neue Mitarbeiter einstellen müssten, um die Partnerschaft zu verwalten, ihre Produkte technisch zu integrieren und den Kunden-Support abzuwickeln. Newton erscheint es angesichts von Hunderten entlassenen Journalisten „lächerlich“, von einer schwankenden Branche neue Teams zu verlangen, um eine mögliche Umsatzsteigerung im einstelligen Prozentbereich zu erzielen.

Peter Kafka (Recode): Es zählen Dollars, nicht Prozente
Im Artikel von Recode kommen die Verlagsleiter zu Wort, die den Deal bereits akzeptiert haben. Die Verlage machten dies „gerne“, da sie daran glauben, Apple gewinne viele Millionen Menschen für den neuen Service. Sie gäben sich lieber mit einem kleinen Prozentsatz einer großen Zahl zufrieden als mit einem großen Anteil an einer kleinen Zahl, heißt es. Kafka betont, die Verlage dürften zudem die kompletten Werbeeinnahmen auf der Plattform behalten. Der relevanteste Grund, warum Apple laut Artikel das Recht auf einen so großes Stück vom Kuchen hat, sei aber der Aufwand, um Abonnenten zu generieren. Die Verlage rechnen damit, dass der Technologie-Gigant viel Zeit und Geld in die Anwerbung neuer Mitglieder stecken wird. Kafka nennt Apple Music als Beispiel: Seit Start des Dienstes habe der Betreiber 50 Millionen neuer Abonnenten gewonnen.

Die großen Publikationen wehren sich
Das Argument, überhaupt neue Kunden zu gewinnen, scheint für die großen Namen im US-Medienmarkt nicht aufzugehen. So wehren sich nach den Überlieferungen etwa die New York Times, die Washington Post und das Wall Street Journal gegen die hohen Forderungen Apples. Das verwundert die Branche nicht, schließlich gehören sie zu den Zugpferden eines solchen Angebots. Alle drei haben bereits ausgefeilte Digital-Abos und umfangreiche Bezahlschranken eingeführt, um dem Umsatzschwund entgegenzuwirken und befürchten Kannibalisierungseffekte. Ein weiteres Problem liegt in der unmittelbaren Kundenbeziehung. Diese verlieren die Verlage bei der Teilnahme an „Apple News“: Der Plattformbetreiber kündigte schon an, ihnen die Kontaktdaten und damit den direkten Zugriff auf die Abonnenten vorzuenthalten. Die Verlage sind jedoch recht erfolgreich darin, ehemaligen Lesern – etwa über Mailings – neue Abos zu verkaufen. Dieser Vertriebsweg ginge ihnen verloren.

Keiner kennt die Zukunft
Insgesamt kann Apples neues Newsangebot den Nachrichtensektor beleben, wie es seinerzeit iTunes Music bei der Musikbranche getan hat. Auf diesen Erfolg stützt sich auch der sehr hohe Umsatzanteil, den der Technologieriese einfordert. Für kleine Publikationen könnte sich der Aufwand lohnen, sie sparen sich einen riesigen Werbeaufwand für weniger attraktive, eigene Angebote. Wer jedoch schon relativ fest im Sattel sitzt, für den rechnet sich Apples Geschäftsmodell voraussichtlich nicht. Denkbar ist jedoch, dass der Plattformbetreiber bei der Akqusition der Zugpferde klein beigibt. Denn zusätzlich zu dem Magnet-Effekt auf Leser, könnte eine ähnliche Mechanik dazu führen, weitere Verlage mit ins Boot zu holen. Diese Wirkung verleiht dem „Netflix für News“ womöglich die Bandbreite, die es für Abonnneten besonders attraktiv macht. Am Ende hängt auch viel an dem tatsächlichen Erfolg der Plattform ab. Sollte Apple es nicht schaffen, massiv Abonnenten und Verlage dafür zu gewinnen, droht dem Angebot das Schicksal des ehemaligen „Zeitschriftenkiosk”.

Kommentare

macrobbi
macrobbi15.02.19 09:11
Das ist nicht mehr Gier, dass ist Raffsucht.
+6
Hanterdro15.02.19 09:13
Lol... echt jetzt? Da wird Werbung geschaltet? Ich gebe doch keine 10€ im Monat für Werbung aus...
+7
ratti
ratti15.02.19 09:18
Werbefinanzierte Sites haben das Netz kaputt gemacht. Mangels durch Qualität gedeckte Einnahmen stehen die Verlage mit dem Rücken zum Abgrund. Apple fegt gerade nur noch die Scherben zusammen zu einem derzeit noch Gewinn bringenden Haufen. Auf uns kommen hässliche Zeiten zu: saubere, familienfreundliche Publikationen. Alles, was nicht moderner, schicker Mainstream ist, fliegt raus. Wenn Apple das nicht macht, dann macht es Google, Facebook oder Amazon.

Schuld sind die Verlage, die seit einem Jahrzehnt ihre Insel verteidigen, statt Publikations- und Verlagsübergreifenden Lösungen.

Next Stop: Buchbranche.
+15
pünktchen
pünktchen15.02.19 09:19
Deine gedruckte Lokalzeitung enthält auch Werbung und kostet mehr. Und das liegt nicht an Druck und Vertrieb sondern an der Redaktion die bezahlt werden muss. Und das bleibt auch wenn Druck und Vertrieb elektronisch wegrationalisiert worden sind. Deshalb ist der Schnitt den Apple verlangt auch so unverschämt.
+7
NikNik15.02.19 09:32
Wenn man mal annimmt, dass die Verlage sich zusammenschließen und einfach ohne Apple so eine Anwendung/Flatrate heraus bringen, dann müssten sie aufgrund der Store Regelungen sowieso 30% an Apple abdrücken, wenn es über eine handliche App laufen soll. Hier kümmert sich Apple direkt um alles und will dann halt noch mal 20% mehr.

Die 30% sind an sich auch schon relativ hoch und im PC und Android Bereich regt sich schon diverse Konkurrenz die diesen "30% Standard" angreifen wollen.
-2
pünktchen
pünktchen15.02.19 09:48
Aber Apple hat unter iOS ja ein Monopol. Und Monopolpreise müsse reguliert werden sonst kommt sowas bei raus.
-4
svenhalen
svenhalen15.02.19 09:49
Wozu die Aufregung? Wird in Deutschland eh nicht starten...
-3
nacho
nacho15.02.19 09:50
Da ist er halt wieder, unser Tim und seine Ideen.

Oder glaub echt jemand mit Tim wären MacOS und iOS Updates jemals kostenlos geworden?
Der hätte doch sicher versucht uns ein Abo unterzujubeln.
-2
marcthoma15.02.19 09:50
Kennt jemand hier die Zahlen von Readly?

Was kommt hier bei den Verlagen an?
Verdient Readly mit seinem Angebot Geld oder setzt man ganz auf Wachstum um dann gekauft zu werden?

Wäre mal interessant und würde Substanz in die Diskussion bringen.
+5
nacho
nacho15.02.19 09:51
NikNik

Wenn man den Abschluss eines Abos ausserhalb des Stores tätigen kann, dann bekommt Apple nichts!
+3
NikNik15.02.19 09:54
pünktchen
Aber Apple hat unter iOS ja ein Monopol. Und Monopolpreise müsse reguliert werden sonst kommt sowas bei raus.

Problem dabei ist aktuell, dass fast jeder 30% nimmt. Steam, GOG, Apple, Google. Steam, GOG und Google bekommen gerade von ein paar Tencent "Unterfirmen" (Epic, Discord, ...) ein bisschen Konkurrenz und locken mit geringeren Anteilen. Das hat auch schon Steam dazu bewegt für einige (erfolgreichere) Projekte den Store-Anteil zu senken.
nacho
NikNikWenn man den Abschluss eines Abos ausserhalb des Stores tätigen kann, dann bekommt Apple nichts!

Oder man legt halt wie z.B. Twitch es tut die 30% einfach auf den Abo-Preis oben drauf und zahlt in der App mehr als wenn man es über die Webseite abschließt. Aber das ist beides nicht ideal.
0
deus-ex
deus-ex15.02.19 09:56
Wird ja keiner gezwungen da mitzumachen. Mir als Kosument ist die Aufteilung scheissegal.

Apple kann mit dem Preis immer noch runter gehen wenn nicht genügend Verlage mitmachen.
-1
BigLebowski
BigLebowski15.02.19 09:57
Ich verstehe auch nicht warum die Verlage sich nicht zusammen tun, ohne einen gierigen "Großhändler" wie Apple, und einfach ihr eigenes Ding machen

Was ich sehr schade finde ist das Apple solch einen Dienst nicht als Dienst an der Gesellschaft sieht, damit diese Zugang zu guten Zeitschriften etc. haben.
Nicht jeder hat 50 oder 60 €/$/£ für ein Monatsabo übrig.
Sie könnten ja trotzdem ihren Gewinn machen, aber 50% ist schon gierig.
Der Witz ist ja:
Die anderen sollen die Arbeit machen und Inhalte anbieten und Apple kassiert.

Dann soll Apple Mal schön ins Nachrichtengeschäft einsteigen und sehen,
ob es so leicht ist.
Ohne die großen Verlage ist Apple Newskram absolut nichts.

Ich hoffe jedenfalls das Apple mit den Newsdienst auf die Nase fällt.

Die Verlage denken hier zu kurzfristig, denn langfristig begeben sich die Verlage in eine ungesunde Abhängigkeit von Apple.
+1
Peter Eckel15.02.19 10:18
Fefe hat das sehr schön pointiert kommentiert:

Und ich muß feststellen, daß er da durchaus einen Punkt hat: Die Verlage haben über die letzten Jahrzehnte keine sinnvolle Lösung auf die Reihe bekommen und flüchten sich stattdessen in die Lobbyarbeit für desaströse politische Lösunungen wie das EU-Leistungsschutzrecht, das niemandem nutzen wird (die Verlage außer vielleicht Springer eingeschlossen) und ansonsten nur Schaden anrichtet.

Und ja, Apples Forderung nach 50% ist k***dreist, aber sie könnten damit Erfolg haben, weil die Verlage mit dem Rücken zur Wand stehen. Die werden auch in zehn Jahren noch keine einvernehmliche eigene Lösung am Start haben, darauf kann man sich verlassen.
Ceterum censeo librum facierum esse delendum.
+4
Tekl15.02.19 10:22
Danke rs, für den schönen Überblick.
+2
Sindbad15.02.19 10:26
Bestimmte Zeitungsredaktionen (z.B. NZZ) bringen sehr gute Analysen und Hintergrundinfos.

Da möchte ich gerne direkt zum Fortbestehen eines hochwertigen Angebotes beitragen. (Ich steuere mit meinem Geld)

Das Apple-Modell dürfte eher das Mittelmaß begünstigen.
0
MikeMuc15.02.19 10:27
An alle die sich über die Prozente aufregen: weiß einer, wieviel Prozente auf den Herstellungspreis beliebiger Produkte aufgeschlagen wurden, bis es der Endkund letztendlich erwirbt? Ich hätte da gern mal ne Übersicht.
Selbst beim Direktvertrieb über einen eigenen Onlinestore müssen ja die Kosten für den Betrieb des Sores und Werbung dafür auf der Herstellungspreis drauf. Und ein sicher gewünschter Gewinn kommt auch noch drauf...

Wieviel Prozent verlangen also zb Grossisten beim Zeitschriftenhandel und wieviel von VK bleiben dem Händler der die Ware am Ende uns in die Hand drückt?
Wie nah kommt das an 30 oder 50% hier in DE und wie schaut das in Tims Heimatland aus zum. Vergleich?

Mir fehlt da der Einblick um zu bewerten, ob die geforderten Prozente viel, wenig oder moderat sind.
+6
Peter Eckel15.02.19 10:28
Sindbad
Das Apple-Modell dürfte eher das Mittelmaß begünstigen.
Meine Befürchtung geht in eine ähnliche Richtung. Allein Apples Ideen davon, was "angemessene" Inhalte sind, haben in einem Pressevertrieb nichts zu suchen.
Ceterum censeo librum facierum esse delendum.
0
tranquillity
tranquillity15.02.19 10:35
Musikflatrate. Videoflatrate. Nun auch noch Zeitungsflatrate. Ja Mensch, wann soll man das denn alles konsumieren? Irgendwie muss das Geld dafür ja auch verdient werden.


Und im übrigen: Das, was Apple da vorhat habe ich schon längst. Für 16€. Im Jahr! Nennt sich öffentliche Stadtbibliothek mit Onlineausleihe. Ok, die App ist grottig, aber ich habe Zugriff auf massenweise Tageszeitungen, Magazine, Bücher, Hörbücher usw. Nur, wie gesagt, es fehlt die Zeit für all das …
+2
Ely
Ely15.02.19 10:38
nacho
NikNikWenn man den Abschluss eines Abos ausserhalb des Stores tätigen kann, dann bekommt Apple nichts!

Genau so macht es z. B. die Süddeutsche. Ich habe von der SZ ein Digitalabo. Das wird direkt mit der SZ abgeschlossen und ist auf jedem Endgerät über den Browser oder einer App nutzbar.

Ich nutze sowas immer per Browser, um die Hoheit über die Daten zu behalten, derartige Apps sind auch nur verkappte Browser. Ohne daß ich irgendwas einstellen kann, was die Sicherheit meiner Daten angeht.

Also können sich Verlage zusammentun, eine Flatrate einrichten und ihre Publikationen über dieses Portal oder eine App anbieten, ohne "Apple-Steuern" zahlen zu müssen. Ich denke, das wird aber nicht gemacht. Was die Musikindustrie schmerzhaft lernen mußte, steht den Verlagshäusern noch bevor.
-1
Peter Eckel15.02.19 10:39
Zum Thema "Bezahlen für Inhalte" noch ein paar Gedanken.

Ich habe mich mit verschiedenen Online-Abomodellen der etablierten deutschen Presse auseinandergesetzt, und ihnen allen ist eines gemein: Der monatliche Preis für das Abo ist nicht so weit von dem für ein reguläres Abo entfernt.

Einerseits ist das nachvollziehbar. Die redaktionelle Arbeit (so sie denn noch stattfindet und nicht nur Agenturmeldungen weitergereicht werden, wie es leider oft üblich ist) ist teuer. Ich weiß nicht, in welchem Verhältnis sie zu den Druckkosten steht, aber einen nennenswerten Anteil macht echte Redaktionsarbeit definitiv aus.

Andererseits ist natürlich auch die Reichweite bei Online-Angeboten eine andere. Ich werde mir wohl kaum x verschiedene Tageszeitungen abonnieren, aber online kann ich mir sehr gut vorstellen, mehr als ein Angebot wahrzunehmen, wenn denn der Preis in einem angemessenen Verhältnis zum gebotenen Inhalt steht. Und im Gegensatz zu gedruckten Zeitungen und Zeitschriften wird ein Online-Angebot nicht doppelt so teuer in der Verbreitung wenn man doppelt so viele Leser hat, Reichweite läßt sich also viel direkter in Profit umwandeln als bei Druckwerken. Das ist aber mit 30-50 Euro im Monat für ein Abo nicht zu realisieren.

Bei den Angeboten, bei denen mir die Verlage eine Chance geben, bezahle ich gern. Ich entrichte meinen Obolus hier für das werbefreie Angebot, finanziere netzpolitik.org mit monatlichen Beträgen, habe ein Abo für den Guardian und Krautreporter und noch ein paar Angebote mehr. Allen ist gemeinsam, daß ich für den eingesetzten Betrag einen mir attraktiv erscheinenden Gegenwert erhalte. Den erhalte ich bei FAZ, Spiegel, Süddeutsche etc. leider nicht. Und das ist genau das Problem der etablierten Verlage.

Je schneller sich dafür eine gute Lösung findet, mit Apple oder ohne, desto größer sind die Chancen, daß sich etwas an der Situation der Verlage ändert. The Guardian z.B. verkündete neulich, daß sie mit ca. einer Million Abonnenten(!) den Break Even fast erreicht haben.

Und dann gibt es ja vielleicht auch wieder mehr Qualitätsjournalismus. Es ist bitter nötig.
Ceterum censeo librum facierum esse delendum.
+3
ratti
ratti15.02.19 10:56
pünktchen
Deine gedruckte Lokalzeitung enthält auch Werbung und kostet mehr. Und das liegt nicht an Druck und Vertrieb sondern an der Redaktion die bezahlt werden muss. Und das bleibt auch wenn Druck und Vertrieb elektronisch wegrationalisiert worden sind. Deshalb ist der Schnitt den Apple verlangt auch so unverschämt.
Ich habe nicht behauptet, dass der Content kostenlos sein muss, sondern das „Werbefinanzierung“ verhindert hat, gesunde Strukturen auf die Beine zustellen.

Ich bitte um die Erlaubnis, mal kurz von mir auszugehen :

Ich gucke mehrmals täglich auf Spiegel und NDR. Ausserdem habe ich auf dem Radar: Neues Deutschland, taz, Deutsche Welle, Hamburger Abendblatt und Süddeutsche. Weil ich mich für meine „alte Heimat“ interessiere, gucke ich regelmässig in die Onlineausgabe der „Schaumburger Nachrichten“, eine Lokalvariante der Hannoverschen Allgemeinen. Und Aufgrund der „besonderen Lage“ des Stadtstaates Hamburg lande ich oftmals auf Lokalzeitungen von Pinneberg, Elmshorn oder der Nordheide, weil ein Naturschutzgebiet brennt, wo ich letz6te Woche noch spazieren war, und so. Dazu kommt noch so komisches Zeug: Gerade ist ein Kunde von mir Insolvent gegangen, und weil mich menschlich interessiert, was mit meinen bisherigen Ansprechpartnern dort passiert, lande ich schonmal auf einer Zeitungs-Site aus Nordrhein-Westfalen oder Oberfranken.

Lassen wir mal die ÖRen raus, und dass das Pinneberger Tageblatt zwar interessant, aber nicht lebenswichtig ist, so käme ich per Payment locker-lässig auf einen Betrag von über 300 Euro pro Monat für Abos. Die Alternative, so sie denn angeboten wird, sind Pay-per-View-Modelle für DIESEN Artikel in DIESER Zeitung, wo ich dann einen geringeren Betrag zahle, aber dafür unüberschaubar auf 10 Konten verteilt.

Mein Budget wäre etwa 10 Euro im Monat. Ich habe keinen Film- und keinen Musik-Streaming-Dienst, aber Zeitung ist mir wichtig, aber eben nicht mit dem Modell wie jetzt. Und das Apple anscheinend mal wieder als erster kapiert.

Deutsche Zeitungen auf Papier werden von zentralen Anbietern ausgeliefert. Das wird im Block an Kioske verteilt, deswegen haben Kioske oder Tankstellen eben nicht die Möglichkeit, so einen Mist wie BILD oder Nationalzeitung aus dem Programm zu nehmen — das wurde irgendwann mal so geregelt, damit auch eine taz oder ein nd eine Chance hat, am Kiosk zu landen.

Es wurde vollkommen verpasst, dieses Modell ans Digitale 'Zeitalter anzupassen: EIN KONTO für EINEN KUNDEN für ALLE ZEITUNGEN, und die Verteilung der Einnahmen dann intern über einen Zählpixel, der nicht für Tracking und Werbung genutzt werden darf, und dieser Pixel darf dann auch gerne mit einem ContentBlocker versehen sein — technisch längst trivial.

Bei DIESEM Anbieter würde ich dann mein EIN Konto erstellen, und dann dort mein Abo machen: Per View, per gedeckelter Flatrate, Ausschluss von Kategorien wie „Promis, Lifestyle, Motorsport, Mode“, whatever, da geht ja viel. Keiner soll umsonst arbeiten! Aber das Produkt muss auch mal am Markt orientiert werden.

Ich zahle nicht über 30 Euro monatlich für den Spiegel, nur damit ich sofort aus meinem Komplett-Abo den gender-verheulten Bento-Schrott, dann „der neue Porsche hat echt Bumms!“ und „Kenne-ich-nicht-Promi“-News in den digitalen Kamin feuern muss!

Das haben die Verlage 20 Jahre nicht gebacken bekommen, weil sie alle dachten, sie könnten das Rennen gewinnen und wären, wie bei Print, im Markt ja „sowieso“ gesetzt. Und Peng.

Das hatten wir bei Musik, Shopping und bei Filmen. Man hätte das kommen sehen. Als nächstes kommen verpennte Branchen wie Bücher, Banken/Payment und eSupermarkt dran.

Die 50% sind natürlich dreist, weil sich das irgendwie eklig anfühlt. Sie sind aber leider realistisch und angemessen, wenn man sie als rein numerischen Indikator dafür hernimmt, wo das Geschäftsmodell der Verlage sich derzeit befindet: Wie Carl E. Coyote längst fünf Schritt über dem Abgrund, er fällt er aber erst runter, wenn er das selber merkt. Und da sind wir gerade. Und das ist schlimm! Freie Presse ist kein Schuhladen, sondern eine wichtige Grundlage unserer Gesellschaftsordnung. Mein Mitleid hält sich da eher in Grenzen, das ist eher schon Furcht und Wut.

Natürlich muss man dazu Unter-Themen diskutieren, damit nicht nur Springer die Kohle aus der Flatrate einnimmt. Aber das Hauptthema ist und bleibt: Verlage und ihre Vertriebsmodelle sind als Reklame-Beiwerk nicht fit für das digitale 21. Jahrhundert. Alles andere ist Detail.
+9
MetallSnake
MetallSnake15.02.19 11:00
nacho
Oder glaub echt jemand mit Tim wären MacOS und iOS Updates jemals kostenlos geworden?
Der hätte doch sicher versucht uns ein Abo unterzujubeln.

Hilfe, bring ihn doch bitte nicht auch noch auf dumme Ideen 😱
Das Schöne an der KI ist, dass wir endlich einen Weg gefunden haben, wie die Wirtschaft weiter wachsen kann, nachdem sie jeden Einzelnen von uns getötet hat.
0
ratti
ratti15.02.19 11:12
tranquillity
Musikflatrate. Videoflatrate. Nun auch noch Zeitungsflatrate. Ja Mensch, wann soll man das denn alles konsumieren? Irgendwie muss das Geld dafür ja auch verdient werden.

Menschen sind unterschiedlich. Ich Interessiere mich weder für Serien noch für Musik. Du musst ja nicht alles machen.
tranquillity
Und im übrigen: Das, was Apple da vorhat habe ich schon längst. Für 16€. Im Jahr! Nennt sich öffentliche Stadtbibliothek mit Onlineausleihe. Ok, die App ist grottig, aber ich habe Zugriff auf massenweise Tageszeitungen, Magazine, Bücher, Hörbücher usw. Nur, wie gesagt, es fehlt die Zeit für all das …
Tja. Ich fand deinen Vorschlag richtig gut und habe mal versucht, das für Hamburg herauszufinden. Falls Du mir durch diese Servicewüste hier weiterhelfen kannst — Danke. Ich kapiere das komplett nicht und lande nur auf Login-Masken oder 3rd-Party-Websites. Besser verstecken kann man das wirklich nicht…
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pünktchen
pünktchen15.02.19 11:38
Peter Eckel
The Guardian z.B. verkündete neulich, daß sie mit ca. einer Million Abonnenten(!) den Break Even fast erreicht haben.

Naja eine Millionen die überhaupt was beitragen. Aber das mit einem frei zugänglichen Angebot zu erreichen ist ein grosser Erfolg. Die NYT lässt sich die Basisvariante mit $10 bezahlen, das geht auch noch. Die Sueddeutsche zB will nicht weniger als 36,99 €. Das ist mir deutlich zu viel.

ratti
Ich habe nicht behauptet, dass der Content kostenlos sein muss, sondern das „Werbefinanzierung“ verhindert hat, gesunde Strukturen auf die Beine zustellen.

Auch die klassischen gedruckten Zeitungen wurden überwiegend mit Werbung finanziert. Ich weiss nicht wie die aktuelle Situation ist aber im grauen Vorinternetzeitalter kamen oft 4/5 der Einnahmen über Anzeigen rein und nur 1/5 über den Verkaufspreis. Die einzige Ausnahme war die taz, bei der war es genau andersrum. Entsprechend prekär war ihre Lage und das Einkommen ihrer Mitarbeiter.

ratti
Mein Budget wäre etwa 10 Euro im Monat.

Das ist halt einfach nicht realistisch. Ohne Werbung wäre das der Preis für eine einzige Ausgabe einer dicken Qualitätszeitung.
+1
Peter Eckel15.02.19 11:57
pünktchen
Naja eine Millionen die überhaupt was beitragen. Aber das mit einem frei zugänglichen Angebot zu erreichen ist ein grosser Erfolg.
Aber der große Erfolg zeigt, daß es geht, und daß Kunden das Modell annehmen. Und das ist der entscheidende Teil der Information. Und daß es mit den vergleichsweise bescheidenen Beiträgen, die der Guardian minimal verlangt, auch zu schaffen ist.
pünktchen
Die NYT lässt sich die Basisvariante mit $10 bezahlen, das geht auch noch. Die Sueddeutsche zB will nicht weniger als 36,99 €. Das ist mir deutlich zu viel.
Ja, so ungefähr sehe ich die Relation auch. Oberhalb von 10 Euro im Monat pro Publikation ist für mich die Schmerzgrenze definitiv erreicht.
pünktchen
Auch die klassischen gedruckten Zeitungen wurden überwiegend mit Werbung finanziert.
Es gibt zwei Unterschiede, die diesen Vergleich meines Erachtens ungültig machen.

Erstens sind, wie ja oben schon festgestellt, die Kosten pro "Exemplar" (also letztlich pro Leser) mit steigender Leserzahl online niedriger als bei gedruckten Zeitungen. Je mehr Leser eine Publikation hat, desto preisgünstiger kann sie ihr Produkt anbieten (oder, ganz neues Konzept: Mehr Geld in die Qualität der Inhalte stecken).

Zweitens ist zumindest beim derzeitigen Modell der Online-Werbung, die auf irgendwelchen Werbenetzwerke setzt, die Werbung unabhängig vom eigentlichen Inhaltelieferanten ausliefert, Online-Werbung ein Sicherheits- und Privatsphäreproblem.

Werbung in der Zeitung kann ich einfach überblättern und sie spielt mir keine unerwünschte Software auf den Rechner und spioniert meine Lesegewohnheiten nicht aus. Ergo ist Zeitungswerbung akzeptabel, Online-Werbung nicht. Vergleichbar wäre das nur, wenn die Zeitungsanbieter selbst statische Werbeeinblendungen schalteten.
Ceterum censeo librum facierum esse delendum.
0
RyanTedder15.02.19 12:27
Was mich noch mehr schockiert ist die tatsache das die restlichen 50% auch noch auf alle Anbieter aufgeteilt wird. Das bedeutet das der Verlag einen Preis für seine Zeitschrift benennt, aber überhaupt nicht weiß was er daran eigentlich später verdienen wird. Wenn die Zeitung z.B. 1€ am Kiosk kosten, bekommt der Verlag in digitaler Form vielleicht nur 2 Cent effektiv ausgezahlt.

Wenn immer aus einem gemeinsamen Topf ausgezahlt wird, ist der Anteil den Apple behält ja erstmal zweitrangig. Dem Anbieter interessiert letztlich ja nur welchen Anteil er von den 100% im Topf erhält. Die starken Verlage profitieren davon entsprechend mehr während die schwachen Verlage um ein vielfaches weniger verdienen? Und wenn die Zahlen ausgeglichen wären, würden alle Verlage verlieren und nur Apple wäre der Gewinner.

Mir ist nicht so ganz klar wie irgendwer außer Apple von diesem system profitieren soll 🤷‍♂️
+3
tranquillity
tranquillity15.02.19 13:58
Ich werfe mal noch Blende in den Raum. Hier kann man einzelne Artikel aus vielen Zeitungen und Magazinen kaufen. Die Preise sind allerdings zum Teil recht happig, und das ist auch der Grund, weshalb ich es bisher selten nutze. Und der Verlage sind auch hier zT. selbst schuld: schon mehr als einmal fand ich den Artikel für 1€ dann doch kostenlos auf der Homepage der Zeitung. Das ist dann inkonsequent.

Ich habe als Zeitung ein Digitalabo von der taz, was um die 15€/Monat kostet. Das finde ich vom Preis ok. Die taz hat noch den Vorteil, dass sie nicht zu dick ist, man kann sie also gut lesen, und dass in ihr oft Dinge stehen, die man eben nicht anderswo hört oder liest.
+1
nacho
nacho15.02.19 14:48
MetallSnake
nacho
Oder glaub echt jemand mit Tim wären MacOS und iOS Updates jemals kostenlos geworden?
Der hätte doch sicher versucht uns ein Abo unterzujubeln.

Hilfe, bring ihn doch bitte nicht auch noch auf dumme Ideen 😱

Das wird ihm längst unter den Fingern brennen, aber der Aufschrei wäre enorm!
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Cliff the DAU
Cliff the DAU15.02.19 15:43
svenhalen
Wozu die Aufregung? Wird in Deutschland eh nicht starten...

Im Grunde braucht das auch kein Mensch.
„Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum.“
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