

Das Justizministerium gleich dreier Regierungen, nämlich Trump I, Biden und Trump II, war sich in einer Sache weitgehend sicher: Google missbraucht die Marktmacht und setzt verschiedene dominante Plattformen dazu ein, Konkurrenz aus dem Werbemarkt fernzuhalten. Eine US-Jury hatte zunächst entschieden, dass Google in den USA weitestgehend jene Neuregelungen umzusetzen hat, welche man in der EU im Rahmen des Digital Market Acts kennt. Dann folgte die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung, weswegen das Justizministerium radikale Schritte forderte. Um die Situation zu korrigieren, müsse sich Google von mindestens einem Geschäftsbereich (Android, Chrome, Ad Exchange oder Ad Manager) trennen – alle Zeichen standen bis jetzt auf Zerschlagung des Konzerns. Nun kommt es aber ganz anders, obwohl marktmissbräuchliches Verhalten auch vom Gericht bestätigt wurde.
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Google darf alle Bereiche behalten...Ungeachtet aller Vorwürfe und Belege lautete
das Urteil nämlich überraschenderweise, dass Google sämtliche Bereiche behalten darf. Eine Zerschlagung beziehungsweise den erzwungenen Verkauf von Sparten, also wie vom US-Justizministerium gefordert, gibt es nicht. Ebenfalls zulässig ist ein weiteres extrem umstrittenes Verhalten, im Falle Apples die horrenden Zahlungen, damit Google als Standardsuche in Safari zum Einsatz kommt. Hierbei handelt es sich um eines der, wenn nicht gar das einträglichste "Apple-Produkt", denn alleine für besagte Einstellung erhält Apple 20 Milliarden Dollar pro Jahr, ohne hierfür einen Finger krümmen zu müssen.
... und unverändert 20 Milliarden an Apple überweisenUntersagt sind solche Vereinbarungen nur dann, wenn sie exklusiv wären – jener Deal mit Apple wurde aber vom Gericht als "nicht-exklusiver Kanalvertrag" klassifiziert. Das kommt durchaus unerwartet, handelt es sich doch um eine offenkundige Vereinbarung, um Suchmaschinen-Konkurrenten in Safari zu verhindern. Die Begründung im Urteil laute, ein pauschales Verbot würde Drittanbietern wie Apple oder Mozilla Schaden zufügen. Lediglich, wenn die Vereinbarung mit Herstellern "andere Installationen als Google-Dienste sind verboten" lauten würde, griffe die Einschränkung.
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Ein Freibrief für Marktmissbrauch?In den wesentlichen Punkten konnte sich Google durchsetzen, was auf den ersten Blick danach aussieht, weiterhin beinahe nach Belieben den Werbe- und Suchmarkt dominieren zu dürfen. Diese Feststellung wäre durchaus richtig, gäbe es an anderer Stelle nicht eine wesentliche Änderung. Zusätzlich wurde Google nämlich verpflichtet, den Suchindex teilweise mit Konkurrenten zu teilen (z. B. Bing, DuckDuckGo, Perplexity, OpenAI). Das ist ein sehr weitgehender Eingriff, weil Googles Index bislang eine "geheime Schatzkammer" war, auf welche die Marktstellung basierte.
Besagter Suchindex ist Googles riesige Datenbank aller Webseiten, die der Google-Crawler je besucht hat. Er enthält nicht nur die Inhalte, sondern auch Metadaten, Verlinkungen, Strukturen, also das komplette Rohmaterial, auf dem die Suchalgorithmen aufbauen. Vor allem für kleinere Konkurrenten ist es extrem teuer bis unmöglich, einen eigenen globalen Index aufzubauen. Fortan ist jedoch "diskriminierungsfreier" Zugriff darauf zu gewähren, wofür Google aber "faire" Gebühren erheben darf – womit man wohl jetzt schon weiß, wie die nächsten Rechtsstreitigkeiten aussehen werden. In Chrome muss das Unternehmen übrigens fortan bei der Einrichtung auf konkurrierende Suchmaschinen hinweisen und darf die hauseigene Suche nicht mehr stillschweigend zum Standard machen.
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Verändert sich der Markt jetzt?Die klaren Definitionen, was Google erlaubt ist und was eben nicht, haben trotz des sehr glimpflichen Ausgangs direkte Auswirkungen. Neue Suchmaschinen können dadurch entstehen, welche andere Schwerpunkte setzen – ganz gleich, ob es sich um herkömmliche oder KI-basierte Produkte handelt. Profitieren dürften kurzfristig vor allem die ohnehin schon milliardenschweren Anbieter wie Microsoft oder OpenAI, welche ihre Systeme zukünftig direkt mit Google-Indexdaten füttern. Was Google durch das Urteil verliert, ist die komplette Kontrolle des Informationsflusses von Werbe- und Suchdaten. Längerfristig öffnet das durchaus Chancen für alternative Anbieter, die aufgrund des Zugriffs auf Google-Daten bessere, personalisiertere und intelligentere Suchtools entwickeln können.
Googles Reaktion: Wir setzen uns zur WehrWer denkt, Google sei nun erleichtert, die als fast sicher gegoltene Zerschlagung abgewendet zu haben, täuscht sich. Man werde sich gegen das Urteil zur Wehr setzen, da man in keiner Weise erkenne, irgendwo marktmissbräuchlich gehandelt zu haben. Es gebe sehr viel Konkurrenz auf dem Markt, außerdem zeige man sich besorgt hinsichtlich des Datenschutzes und der Privatsphäre von Nutzern. Ein Berufungsverfahren mit Forderungen nach Aussetzung der Anordnungen soll der nächste Schritt sein, um die Anpassungen zu verhindern – was im für Google besten Fall die Umsetzung um Jahre verzögern könnte.
Viele Seiten sind sehr enttäuscht vom laxen UrteilWährend Anleger das Urteil feiern, sowohl im Falle von Alphabet/Google als auch Apple, zeigen sich die meisten Mitbewerber sehr enttäuscht. Man erkenne keine wirksamen Maßnahmen, Googles marktbeherrschende Stellung einzudämmen. "Schuldig gesprochen, kann aber faktisch weitermachen", so fasste es Tim Sweeney von Epic in Worte. Die News/Media Alliance bemängelte zudem, dass sich Google weiterhin an den Inhalten von Nachrichtenportalen bedienen darf, um daraus eigenen Content per KI zu kreieren, welcher den eigentlichen Erstellern jedoch die Einnahmen raubt.