
Ist Tim Cook am Ende seiner Agenda und braucht Apple den Führungswechsel?
Darf Apple das Gefühl vermitteln, man verwaltet Erfolg?Apple als Weltunternehmen braucht erwachsene Führung, und ob ein Jobs in der Lage gewesen wäre, ein derartiges Imperium aufzubauen und zu halten, sei einmal dahingestellt. Wo Jobs impulsiv und auf sein Bauchgefühl hörend auftrat, ist Cook analytisch und unerschütterlich ruhig. Ganz sicher ist er kein Visionär, der neue Trends erkennt, bevor es andere tun. Cook ist kein Disruptor, der Sachen aufs Spiel setzt oder riskiert, verkaufsstarke Produkte zugunsten ganz neuer Ideen zu gefährden. Dies führte zum Ruf, dass er eher verwaltet und das Unternehmen aus BWL-Sicht führt, nicht um die Welt zu verändern. Erneut: dass ein derart riesiger Konzern noch mit Jobs-Methoden zu führen wäre, ist eher unwahrscheinlich.
Dienste sind eine Gelddruckmaschine für Apple, doch naturgemäß weit weniger emotional beladen als "Next Big Thing"-Hardware. Das unrühmliche, fast schon lächerlich durchsichtige Verhalten gegenüber Kartellbehörden, anstatt einen Befreiungsschlag zu wagen, dürfte auf Cook zurückgehen, der weiter auf bestehende Prinzipien setzen will. Das Thema "Smart Home" hat Apple verschlafen und konnte keine Akzente setzen, gleichermaßen sieht es derzeit mit KI-Lösungen aus. Dazu kommen immer offensichtlichere Qualitätsprobleme der Software samt inkonsistenter Umsetzung, die wenig Detailliebe verspüren lässt.
Einiges verschlief manIm TV- und Musikbereich erkennt man keine klare Strategie, das Apple TV dümpelt vor sich hin, Apple TV+ ist ein Milliardengrab, der HomePod wurde eingestellt dann wiederbelebt aber nicht verbessert, Apple Music läuft ebenfalls vor sich hin, und der Kampf um Provisionen von anderen Diensten scheint wichtiger als herausragende eigene Funktionen – mit Ausnahme der AirPods gilt Apple ganz sicher nicht als Innovationstreiber im Musik-Business. Und: so "cool" wie einst ist man ebenfalls nicht mehr. Das Bild als knallhartes, skrupelloses Unternehmen manifestiert sich stärker, je mehr man sich in Kartellverfahren aufreibt und dort zudem kein gutes Bild abgibt.
Doch braucht man jetzt einen Generationenwechsel?Wir alle, die sich auf einer Seite wie MacTechNews herumtreiben, egal ob Redaktion oder Leser, wünschen uns selbstverständlich, dass sich Apple nicht gerade in einer Art Götterdämmerung befindet. Die Zahlen sind weiterhin herausragend, in vielen Bereichen stellt das Unternehmen die besten Produkte der Welt her. Dennoch scheint sich herauszukristallisieren, dass zunehmend eine "Verwaltungsmentalität" wahrgenommen wird – und Apple den eigenen Ruf aufs Spiel setzt. Gilt "Think Different" heute noch – oder ist es ein konsequentes "think corporate"? Wer diese Frage mit der letztgenannten Option beantwortet und sich mehr alten Charme zurückwünscht, dürfte daher der These zustimmen, Cook und das Management seien verbraucht, die Agenda abgearbeitet.
Apple wird kein Nokia mit plötzlichem Absturz, dazu ist das Unternehmen viel zu intelligent geführt und zu breit aufgestellt. Doch ohne frische Ansätze könnte man zu "einem von vielen Weltkonzernen" werden – den irgendwann dann das Next Big Thing eines neuen Akteurs überrollt. Cook wirkt nicht wie derjenige, mit dem die Welt so zu verändern ist, wie es im Falle von iPod oder iPhone gelang. Daher lautet das vorsichtige Fazit unserer Überlegungen: Obwohl Cook ein hervorragender CEO mit bedeutenden Verdiensten war – und ganz sicher nicht nur "der Buchhalter" – wäre inzwischen ein Generationenwechsel zu befürworten.