Rewind Kommentar: Apple Watch und MacBookWenn in der Apple-Welt etwas leicht vorhersehbar ist, dann sind es die Kommentare zu neuen Produkten und Dienstleistungen:
"Früher war Apple noch Nutzer-orientiert."… "Wieso nur eine Schnittstelle? Damit kann ich gar nicht arbeiten!" … "Der Preis der Uhr geht ja mal gar nicht!!!" … "Wird ein Riesen-Flop!" … "Apple wird mir immer unsympathischer!" … und so weiter, und so fort.
Während einerseits eine Minderheit im Internet immer negativer werdende Kommentare äußert, wird Apple trotzdem immer erfolgreicher. Wie kann das sein? Ich glaube, das liegt daran, dass die verärgerten Kommentarschreiber, bei denen es sich in der Mehrzahl um Technik-Nerds handelt, die andere Produkte gewohnt sind, einfach nicht mehr Apples Zielgruppe sind.
Beispiel Apple Watch: Das große Missverständnis bei diesem Produkt besteht darin, dass die User denken, es handele sich um eine Art Computer-Device. Dem ist nicht so. Die Apple Watch ist ein Mode-, Schmuck- und Lifestyle-Accessoir. Das ist ein völlig anderer Markt mit gänzlich anderen Gesetzmäßigkeiten. Der Technikteil der Apple Watch macht nur einen Bruchteil dessen aus, was dieses Produkt eigentlich darstellt. – Was auch die Preisgestaltung erklärt. Während die Elektronik vielleicht 150 Dollar Gesamtkosten ausmachen, sind Gehäuse und Armbänder die mit Abstand größten Kostenfaktoren und werden – wie in der Schmuck- und Uhrenindustrie üblich – entsprechend hochpreisig angeboten. Apple sieht sich hier eher in einer Reihe mit Marken wie Omega, IWC, Breitling & Co. Aber sicher nicht mit Casio oder Pebble. Und auch nicht mit LG oder Samsung.
Natürlich müssen Fragen erlaubt sein, wie beispielsweise, ob der reine Goldwert der Apple Watch Edition den fünfstelligen Preis rechtfertigt. (Einen Preis, den ich übrigens nach der Vorstellung im letzten Jahr vorausgesagt habe – wenn Sie mir diesen kleinen Selbstschulterklopfer gestatten.) Die Antwort: Nein, das tut er nicht. Aber als Luxus-Schmuckstück, bei dem höchste Verarbeitungsqualität mit Design und Exklusivität gepaart wird, passt dieser Preis sehr wohl. Auch wenn die Marge sicherlich mehr als üppig sein dürfte. Bei dem rund 500 Euro teuren Edelstahl Gliederarmband sieht es nicht viel anders aus. Es handelt sich dabei nicht um ein 08/15 Standard-Stahlarmband, welches man über eBay für vielleicht 50 Euro erstehen kann, sondern um ein äußerst aufwendig gefertigtes High-Tech-Band mit außergewöhnlicher Schließe. Der Stahlpreis spielt da gewiss die geringste Rolle. Technisch weniger ausgefeilte, aber verarbeitungstechnisch ebenfalls sehr hochwertige Stahlbänder, beispielsweise von Omega, liegen preislich im gleichen Bereich.
Wer schlichtweg nicht gewillt oder in der Lage ist die von Apple geforderten Armband-Preise zu bezahlen, braucht sich nicht zu grämen. Am Horizont zeichnen sich schon die ersten Armbandoptionen von Drittherstellern ab. Auch wenn es sich dabei meist noch um Konzepte oder Kickstarter-Projekte handelt. (
,
und
). Ob die Apple Watch auch mit solchen Lösungen noch schick aussieht, oder eher wie Armani Sakko mit Jogginghose, hängt ganz von der Sorgfalt der Drittanbieter-Lösungen ab. Dank des cleveren Armband-Wechselsystems der Apple Watch sind die Möglichkeiten jedenfalls unbegrenzt.
Es bleibt abzuwarten, ob es Apple gelingt, sich ausgerechnet mit einer "Smartwatch" (man beachte die Anführungszeichen) den Ruf eines Luxus-Uhrenherstellers aufzubauen, und es sich langfristig leisten kann, derart hochpreisige Schmuckartikel anzubieten. Denn zweifellos ist die Vergänglichkeit der Technik im Inneren der Uhr der größte Schwachpunkt an der ganzen Rechnung. Zwar wird es die Zielgruppe der Apple Watch Edition finanziell kaum kratzen, ob sie nun 10.000 oder 50.000 für eine Uhr ausgeben, aber wird es sie auch völlig unberührt lassen, wenn so eine Uhr in vielleicht 5 Jahren kaum noch nutzbar ist und zu nicht mehr taugt, als mit schwarzem Display in der Vitrine zu funkeln? Bei einer 440.000 Euro teuren A. Lange & Söhne "Zeitwerk" (um nur ein Beispiel zu nennen) weiß der Käufer wenigstens, dass die Uhr auch in 50 Jahren noch funktionieren wird – oder sich zumindest instand setzen lässt. Wir werden sehen, ob dieser Faktor für die "High Roller" von Bedeutung ist.
Fest steht, dass sich die Technik-Nerds von dem Gedanken lösen müssen, Apple würde schnöde Smartwatches anbieten.
Würde ich mir eine Apple Watch kaufen? Mal sehen. Was das Funktionsspektrum angeht, sehe ich für mich keinen immanenten Bedarf. Andererseits bin ich als Uhrenfan schon sehr beeindruckt davon, wie gut Apple es verstanden hat, was eine Uhr
wirklich ausmacht. Daten und Messwerte sind das jedenfalls nicht, oder nur am Rande. Viel mehr geht es dabei um pure, subjektive Faszination.
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Etwas anders sieht die Klage-Situation rund um
das neue MacBook aus. Schon als das Konzept mit nur einem USB-C-Port vor einigen Wochen durchsickerte, war der Aufschrei groß:
"Wie soll man denn da seinen Monitor anschließen?" … "Typisch Apple. Jetzt müssen wieder neue Adapter gekauft werden." … "Jetzt lässt Apple Thunderbolt wieder fallen!" … "Wie jetzt? Kein MagSafe? – Kaufe ich nicht!" … und so weiter, und so fort.
Auch in diesem Fall muss mit ein paar alten Gewohnheiten aufgeräumt werden. Zunächst einmal ist das neue MacBook ein "Ultra Portable" Notebook. Alles, was an so einem Gerät extern angeschlossen oder auswechselbar sein soll, steht dem eigentlichen Gedanken solcher Geräte diametral entgegen. Die Zeit der Notebooktaschen, die zu 50\% mit Notebook und zu 50\% mit Kabeln, Steckern, Netzteilen, Festplatten etc. vollgestopft waren, sollen mit dem neuen MacBook der Vergangenheit angehören und der beste Methode dafür ist, einfach die Anschlüsse wegzulassen.
Als erster Hersteller überhaupt setzt Apple hier auf USB-C. Im Gegensatz zu Thunderbolt ist diese Schnittstelle in absehbarer Zeit auch in allen möglichen neuen Computerprodukten anderer Hersteller zu erwarten. Das heißt aber nicht, dass Apple deswegen Thunderbolt wieder einstampft. Für das neue MacBook macht Thunderbolt technisch kaum Sinn, denn das superflache Notebook ist nicht dazu gedacht, daran etwa ein dickes Festplatten-RAID zu betreiben. Außerdem erfordert Thunderbolt derzeit noch etwas größere Stecker, die nicht in das Gehäuse passen. In den ebenfalls überarbeiteten MacBook Air hat Apple hingegen Thunderbolt 2 nachgerüstet. Und so wird es auch noch eine Weile bleiben, denn USB-C ist kein gleichwertiger Ersatz für Thunderbolt.
Für den Verbraucher wichtig zu wissen: USB-C ist wie Thunderbolt eine Multi-Protokoll-Schnittstelle. Je nach Auslegung des Standards – was leider einige Fallstricke für den Kunden birgt – kann darüber das Notebook geladen werden, herkömmliche USB-Datenübertragung erfolgen, oder auch Monitore angeschlossen werden! Das neue MacBook unterstützt laut Apple Auflösungen bis 3840 x 2160 Pixeln (4K) bei "Millionen" Farben, wobei derzeit die Angabe der Bildwiederholfrequenz fehlt, also ob mit 30 oder mit 60 Hz.
Wer unbedingt kabelgebundene Peripheriegeräte an dem neuen MacBook betreiben will (es gibt ja auch WLAN-Festplatten, Bluetooth-Lautsprecher etc.), wird vorerst um Adapter nicht herum kommen. Das ist so gesehen hier aber nicht die Schuld von Apple, sondern schlicht unumgänglich, wenn man auf eine komplett neue Schnittstelle setzt. Noch mal zur Erinnerung: Andere Schnittstellen, wie USB-A oder DisplayPort, passen nicht in das flache Gehäuse und sind auch nicht gewünscht! Ein neuer Standard setzt sich am besten durch, wenn man alte Zöpfe abschneidet. Und in diesem Fall wird die PC-Industrie schon bald mit eigenen USB-C-Lösungen nachrücken, was wiederum dafür sorgen wird, dass schon bald Drittanbieter massenhaft Kabel-/Adapter, Docks, Hubs, Festplatten (Beispiel:
LaCie), Speichersticks, Backup-Akkus und andere USB-C-Zubehöre anbieten werden.
Ja es stimmt: Die von Apple angebotenen Adapter sind zum Teil ziemlich teuer. In dem Punkt hat sich Apple schon immer wie die Automobil-Industrie verhalten, die vor für Sonderausstattungen kräftig hinlangt. Auch Apple wird auf seinen Kabeln und Adaptern garantiert eine hohe Marge haben. Die Frage ist nur, soll man sich darüber als Interessent für das neue MacBook jetzt ärgern? Wenn ja, sind Sie dann vielleicht gar nicht der richtige Kunde für diese Art Notebook? Wäre es nicht möglicherweise besser, ein MacBook Air zu nutzen, auch wenn das etwas dicker und schwerer ist? Oder gar ein MacBook Pro?
Interessenten des neuen MacBook sollten sich einfach vor Augen halten,
dass es sich hier nicht um einen Desktop-Mac-Ersatz handelt, auch wenn es leistungstechnisch vielleicht ausreichen würde. Beim iPad und iPhone war früher auch das Geschrei groß, dass daran keine normale USB-Schnittstelle zu finden sei, oder ein Speicherkartenslot. Die meisten iDevice-Nutzer wissen heute, dass das gar nicht notwendig ist und man sich den ganzen Krempel mit unterschiedlichen Kabeln gut sparen kann. Ich weiß, es gibt Ausnahmen, aber das sind eben … Ausnahmen! Mit dem neuen MacBook geht Apple in die gleiche Richtung. Für den ein oder anderen mag diese "Zwangsbeschränkung" zwar irgendwie bevormundend erscheinen, doch die Zeit arbeitet hier für Apple. Schon heute erscheinen alte PC-Notebooks mit lauter Schnittstellen wie VGA, DVI, USB, RS232, PS2, Centronics, S-Video, Klinke und wie sie alle heißen, wie Relikte aus einer dunklen Vergangenheit. Und in 5 bis 10 Jahren werden vermutlich auch die letzten PC-Notebooks alle überflüssigen Kabelschnittstellen über Bord geworfen haben, und bestimmt auch die letzten Lüfter und Festplatten. Apple ist hier lediglich – mal wieder – Vorreiter.
Wem das nicht geheuer ist oder das alles zu schnell geht, der
muss kein neues MacBook kaufen. Bitte nicht vergessen: Es gibt auch noch die Modellreihen
Air und
Pro. Das neue MacBook ergänzt diese lediglich um eine weitere, ultra portable Linie, die zudem konsequent Apples Strategie fortführt, sich als Anbieter hochwertiger Lifestylegüter mit High-Tech-Kern von gängigen Computer-Paradigmen zu lösen. Mit drei Farbvarianten und dem super eleganten Look wendet sich dieses "Notebook" weniger an die Computer-Arbeiterklasse, sondern eher an Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, Repräsentanten und alle anderen, die es einfach nicht nötig haben, mit einem Sack voller Notebook-Peripherie zu reisen und die nicht auf superschnelle Prozessoren oder maximalen Arbeitsspeicher angewiesen sind. Das neue MacBook ist eher die logische Ergänzung zum Montblanc Füller als zum Werkzeugkoffer oder Vertreter-Trolley.
Würde ich ein neues MacBook kaufen? Wenn ich ein Notebook bräuchte, was nicht der Fall ist, dann ja und ohne zu zögern. Eine Beschränkung durch die einzelne USB-C-Schnittstelle bestünde für mich nicht. Seine besonderen Merkmale, wie das extra flache Uni Body Gehäusekonzept mit den "terrassierten" Akkus, das Display, die neue Tastatur oder das Trackpad sind einfach State-of-the-Art und heben es wohltuend vom Laptop-Einerlei ab. Das macht es über den reinen Nutzwert als Arbeitsmittel hinaus sehr begehrenswert. Genau das ist der Plan und der wird aufgehen.
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Unter dem Strich hat Apple mit den beiden großen Neuheiten nach meiner Einschätzung wieder alles richtig gemacht. Sowohl die Apple Watch als auch das neue MacBook werden sich – trotz ihrer hohen Preise und des Euro-bedingten Preisschubs – gut verkaufen und Apples Position am Markt weiter stärken. Anfängliche Bedenken werden sich mit der Zeit bei den meisten legen, bei einigen wenigen hingegen nicht. – Haters gonna hate.