

Zugegeben, ich spanne hier schon einen ziemlich weiten Bogen. Von der Vorstellung einer neuen High-End-Kamera hin zur Infragestellung eines ganzen Hobbys. Aber wenn ich mir Kameras wie die neue Sony RX1R III und den Kameramarkt insgesamt ansehe, verliert das Thema offensichtlich stark an Fahrt. Und an Innovationskraft. Sind Digitalkameras inzwischen ausentwickelt und bieten technisch keinen oder kaum noch Spielraum für Fortschritte? Bieten Smartphone-Kameras inzwischen ausreichend gute Fotoqualität, um hochwertige Spezialkameras doch endlich obsolet zu machen? Und ist KI der Tot für kreatives Fotografieren? Aber zunächst zu der Neuheit, die Anlass für diese Überlegungen war.
KompaktArt | | Kompaktkamera, Vollformat |
Sony RX1R III ganz kurz vorgestelltDie Modellbezeichnung rollt nicht gerade leicht über die Zunge, aber kryptische Bezeichnungen wie RX1R III sind wir ja insbesondere von den Japanern und im Kameramarkt gewohnt. Bei der besagten neuen Kamera handelt es sich um ein relativ kompaktes Gerät mit fest integriertem 35 mm F2 Objektiv vom Systempartner Zeiss und einem 61-Megapixel Vollformatsensor. Letzterer wird von einem „BIONZ XR“ Bildprozessor unterstützt.
Die RX1R III folgt – wer hätte das gedacht – auf die RX1R II, die bereits im Jahr 2015 vorgestellt wurde. Ja wirklich! 10 Jahre ist das her (siehe hier) und erst jetzt kommt ein Nachfolger. Kein Wunder, dass alle dachten, die RX1R II wäre die letzte ihrer Art. Dass nun doch noch eine Weiterentwicklung vorgelegt wird, hat diverse Gründe. Einer davon ist, dass kompakte Kameras mit hochwertiger Festbrennweite, die sich insbesondere für Street-Fotografie eignen, derzeit ein bisschen im Trend sind. – Ein Mini-Trendchen.
Die Sony RX1R III ist im Vergleich zu ihrem Vorgänger technisch natürlich in vielen Punkten optimiert worden. Besserer Sensor, besserer Sucher, besseres Display mit Touch (aber nicht mehr klappbar!) und viele Detailoptimierungen sind zu finden. Aber all das ist eher Feintuning. Revolutionär neues oder gar eine dramatisch bessere Bildqualität darf man nicht erwarten. Dafür sind die Fortschritte in der Sensortechnologie zu klein und zu langsam geworden, sodass selbst 10 Jahre kaum einen Unterschied ausmachen.

Da fällt ein anderer Punkt viel mehr ins Gewicht: Wurde die RX1R II damals schon zu dem heftigen Preis von 3.500 Euro vorgestellt, liegt die RX1R III jetzt bei sagenhaften 4.899 Euro. Plus unverschämt teures Zubehör, wie etwa ein Daumengriff für 280 Euro (ab September). Sony will offenbar die selbe Klientel ansprechen, wie Leica, die es sich aufgrund ihrer Reputation im Luxussegment eher leisten können, mehr als andere zu verlangen und die mit der Q3 einen sehr ähnlichen Kandidaten im Sortiment haben.

Vermutlich steckt aber noch mehr dahinter. So dürften die Entwicklungskosten und die zu erwartenden Absatzzahlen wohl keine andere Wahl lassen, als den Preis und damit die Marge mächtig hochzuschrauben. So ist das oft im High End: Hoher technischer Aufwand plus kleine Stückzahlen funktioniert nur, wenn die Gewinnspanne ausreichend hoch ist. Das grenzt natürlich den Kundenkreis entsprechend ein, wobei das im Falle von Kameras wie der RX1R III vor allem Personen gehobenen Alters sein dürften, die anständig verdienen (oder verdient haben) und sich solche „Spielzeuge“ eben leisten können. Vielleicht werden auch ein paar Profis zugreifen, aber die dürften die Ausnahme sein.
Dass Sony mit der RX1R III eher auf ein Lifestyle-orientiertes Publikum abzielt, zeigt auch die Pressemeldung, die technische Details nur recht oberflächlich behandelt, dafür den fotografischen und kreativen Aspekt etwas mehr in den Vordergrund stellt. Ausführliche Infos finden sich natürlich trotzdem auf der Produktseite.
Quo Vadis Hobbyfotografie?Mit der Entwicklung der Digitalfotografie, die in den Neunzigern und frühen 2000er-Jahren an Fahrt aufnahm, boomte das Geschäft mit Kameras wie nie zuvor. Vor allem Kompaktkameras hatten zunächst einen guten Lauf und wurden von den Herstellern in sehr hoher Schlagzahl und mit äußerst kurzen Produktzyklen entwickelt. Digitale Systemkameras (DSLR, später spiegellose) bekamen erst später Aufwind. Mit dem Siegeszug der Smartphones und deren immer besser werdenden Kameras geriet zunächst der Markt für kompakte Digitalkameras unter Druck und kollabierte später förmlich.
Nur Systemkameras hatten noch einen Lauf, weil die technischen Limits noch nicht so ausgereizt waren und auch bei der Bedienung und den Funktionen, sowie der Qualität der Objektive immer mehr geboten werden konnte. So war es eine Zeitlang normal, dass fast jedes Jahr neue Spitzenkameras das Licht der Welt erblickten – im buchstäblichen wie übertragenen Sinn. Doch nun sind die technischen Grenzen insbesondere bei den Bildsensoren offenbar stark ausgereizt. Lieferten sich die Hersteller früher noch regelrechte Schlachten, wer die höheren ISO-Zahlen bei geringerem Rauschen schaffte, ist das inzwischen kaum noch Thema in den technischen Daten oder in den Foren.
Einzig das Thema KI und „Computational Photography“ spielt heute noch eine Rolle. Allerdings spielt auch das vornehmlich den Smartphones in die Hände, lassen sich damit doch die Defizite der kleinen Bildsensoren ausgezeichnet „wegrechnen“. So ist es heute immer schwieriger, Smartphone-Fotos von denen „echter“ Kameras zu unterscheiden. Ja, es stimmt natürlich, dass bestimmte Merkmale eine Unterscheidung nach wie vor möglich machen, aber die Grenzen verschwimmen zusehends.
Das führt dazu, dass selbst eingefleischte Fotofans (mich eingeschlossen) die Fototasche immer häufiger im Schrank lassen. Egal, wie viele Megapixel die Kamera hat, oder wie toll die Objektive sind. Meine Canon EOS R6 Mark II benutze ich inzwischen fast nur noch für lokale Aufnahmen wie Produktfotos, aber kaum noch, um damit in die Natur oder die Stadt zu gehen.
Nachlassender Enthusiasmus scheint nicht nur bei mir symptomatisch zu sein. Wo sind beispielsweise die vielen heiß und verbissen geführten Diskussionen in den Foren geblieben? Wann hat zuletzt mal eine Kamera-Neuvorstellung zu hunderten von Kommentaren oder extra dafür eröffneten Threads geführt? Mit stagnierendem technischen Fortschritt im High-End-Segment, immer höheren Preisen für außergewöhnliche Kameras oder Objektive und immer besser werdenden iPhone-Fotos kühlt das Hobby immer mehr ab.
Irgendwie schade, aber ob solche Kameras wie die neue Sony RX1R III an diesem Trend noch irgend etwas ändern können? Ich bezweifle es doch sehr – bei dem Preis.