Bewertung der gestrigen Neuvorstellungen – alte Probleme mit neuer Grafik übertüncht?


Die WWDC-Keynote ist absolviert und Apple führte wie üblich in hohem Tempo durch die wichtigsten Neuerungen. Hardware hatte man nicht zu zeigen, stattdessen konzentrierte sich das Event vollständig auf Software und die damit einhergehenden UI-Updates. Wir fassen die wichtigsten Themen zusammen und bewerten, ob dem Unternehmen ein großer Wurf gelungen ist – oder es sich eher um große Schlagzeilen mit wenig Unterbau handelte, so wie vor einem Jahr im Falle von Apple Intelligence und Siri.
Hauptthema diesmal: Liquid GlassApples neue Designsprache sieht durchaus modern und schick aus, wenngleich sich bei unserem Fotorundgang zeigte, dass die zur Keynote sorgfältig gewählten Ansichten deutlich vorteilhafter als der Gesamteindruck ausfallen. Je nach Bereich kann es sich sogar um einen deutlichen Rückschritt handeln, denn wenn die Glaskacheln des Kontrollzentrums auf Icons liegen, nehmen Lesbarkeit und Kontrast stark ab.

Es bleibt zu hoffen, dass es sich bei Liquid Glass nicht um einen kurzfristigen Schnellschuss handelte, um von den ausbleibenden Fortschritten bei Siri und Apple Intelligence abzulenken. Apple bleiben noch rund drei Monate für Schliff und Verbesserungen, denn ganz offensichtlich ist man nicht fertig. Oft besteht ein Nebeneinander aus neuen und alten Darstellungen – was stark darauf hindeutet, die Umstellung nicht rechtzeitig zur WWDC abgeschlossen zu haben. Es ist vielerorts Stückwerk aus gut aussehenden Einzel-Elementen, die sich vor allem aber auf dem Mac nicht zu einem großen Ganzen fügen. Trotz dieser Kritik ist es zu begrüßen, an einem einheitlichen Design für die verschiedenen Plattformen zu arbeiten – doch die Revolution, als welche Apple es verkaufen will, ist Liquid Glass sicher nicht.
iPadOS: Das wohl größte UpdateBei Apple ist zwar gefühlt jede Aktualisierung die "größte aller Zeiten", im Falle von iPadOS kann man aber durchaus zustimmen. Diesmal tut sich nämlich wirklich viel und anders als bei der Umbenennung von iOS auf iPadOS, dies aber nur mit wenigen Produktivitäts-Features, geht das neue Fenstermanagement einen wichtigen Schritt. Es muss sich natürlich erst in der Praxis zeigen, wie sich bekannte Mac-Paradigmen wie Exposé oder die Menüleiste auf dem iPad schlagen, allerdings wagte Apple ganz eindeutig den Schritt hin zu "mehr Desktop". Warum es aber dennoch keinen Multiuser-Support gibt, sorgte umgehend für Kritik – das System würde die Funktionalität mitbringen, doch Apple befürchtet anscheinend sinkende Verkaufszahlen, wenn es nur noch eines iPads pro Haushalt bedarf.
Sonstige System: Einiges NützlichesSieht man von der neuen Oberfläche ab, so spendiert Apple den Systemen zwar einige Nützlichkeiten, besonders umfangreich sind die Aktualisierungen aber nicht. Siri schwieg Apple vollständig tot und bleibt dabei, sich vorerst nicht mehr zum Sprachassistenten zu äußern, Apple Intelligence erhält zumindest kleinere neue Funktionen. Dennoch heißt es in vielen Kommentaren, dies dokumentiere noch deutlicher, welchen Vorsprung die Mitbewerber derzeit haben. Apples Ansatz der lokalen Ausführung stellt allerdings auch eine wesentlich größere Herausforderung dar, als riesige Modelle serverseitig zu betreiben. Ob sich Apple allerdings eine lösbare Aufgabe gestellt hat, muss sich erst noch zeigen.
App Store? Kein Schritt in die ZukunftBeinahe weltweit ist Apple unter Druck und zu Anpassungen des App Stores gezwungen, denn als marktbeherrschendes Unternehmen missbraucht Apple die Marktmacht nach allgemeiner Rechtsauffassung. Die Chance, einen aktiven Schritt zu gehen und wieder ein weltweit einheitliches System ohne Sonderregelungen für einzelne Märkte einzuführen, verpasste Apple – und wird sich weiterhin von Gerichtsverfahren zu Gerichtsverfahren hangeln. Die Energie der letzten Zeit floss offensichtlich in eine Salve an Pressemitteilungen, welche unglaublichen Umsatzzahlen man mit dem App Store erzielt. Um den schlechten Zustand des Entwicklerportals und die zentralen Kritikpunkte (siehe dieser
Artikel) kümmerte man sich offensichtlich nicht.