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Apples Strategie bei Unternehmenskäufen

„Apple kauft von Zeit zu Zeit kleinere Technologieunternehmen und wir sprechen generell nicht über den Zweck oder die Ziele.“ Mit diesem Standardsatz reagiert Apple offiziell auf jeden Bericht und jedes Gerücht über Firmenübernahmen. Doch was sind die Beweggründe für Unternehmen, kleinere Firmen aufzukaufen? Was lässt sich aus diesen Aktivitäten herauslesen?
MacTechNews.de blickt auf die bisherige Praxis von Unternehmenskäufen bei Apple und untersucht Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart.


Zweck von Übernahmen

Wenn ein Unternehmen ein anderes aufkauft, ist das für das Zielunternehmen meist ein bedeutender Einschnitt in der Firmengeschichte. Oftmals ist es deren Ende, manchmal werden die Geschäfte unter neuem oder eigenem Namen fortgesetzt. Abhängig ist dies vor allem von den Motiven des kaufenden Unternehmens.

In der Regel liegen diese Motive in einer längerfristigen Strategie. Manchmal ist ein bestimmtes Produkt oder eine Technologie der Zielfirma der Übernahmegrund. Man kann Knowhow entwickeln, aber auch kaufen. Ein direkter wirtschaftlicher Vorteil ist die Übernahme von Patenten des Zielunternehmens. Manchmal, insbesondere bei sehr kleinen Unternehmen, ist aber auch die einfache Verpflichtung eines oder mehrerer bestimmter Mitarbeiter Kaufmotiv, falls der einzelne sich nicht hat abwerben lassen oder die Gruppe die eigene Belegschaft vorteilhaft ergänzt. Schließlich sorgt eine Übernahme auch ganz einfach für die Beseitigung eines Konkurrenten und die Übernahme von dessen Kunden.

Insbesondere die erstgenannten Kaufmotive erlauben einem Marktbeobachter Rückschlüsse auf die vorliegende (aber selbstverständlich nicht öffentlich gemachte) Unternehmensstrategie. Die Verpflichtung bestimmter Mitarbeiter oder die Verfügbarkeit gewisser Technologien und Patente zeigt einen möglichen Weg für die zukünftige Entwicklung auf. Genauso können Unternehmenskäufe auch Indikator für Probleme des großen Unternehmens sein, etwa wenn dringend neues Knowhow oder Entwicklungsteams zur Problembehebung notwendig werden.


Firmenübernahmen in der Apple-Geschichte

Apple existiert seit dem Jahr 1976 und hat in seiner Firmengeschichte über 50 andere Unternehmen gekauft. Den Anfang machte 1988 die Software-Firma Network Innovations. In der Krise der 1990er Jahre musste Apple allerdings auch umgekehrt eigene Firmenanteile verkaufen. Seit 2009 hat die Anzahl der Firmenübernahmen von Apple deutlich zugenommen. Dennoch liegen sie sowohl quantitativ als auch preislich sehr deutlich unter den Aktivitäten direkter Konkurrenten wie Microsoft oder Google, wo auch mal Kaufpreise von über einer Milliarde US-Dollar bezahlt wurden.

Die teuerste Unternehmensübernahme durch Apple stellt gleichzeitig einen der wichtigsten Meilenstein in seiner Firmengeschichte dar: Der Kauf von NeXT im Dezember 1996. Dies stellte die erste Übernahme seit 1989 dar und ist mit einem Kaufpreis von über 400 Millionen Dollar bis heute Apples teuerste bekannt gewordene Akquisition. Sie brachte Steve Jobs, den Firmengründer und späteren CEO, nach dessen Rauswurf im Jahr 1985 zurück ins Unternehmen. Jobs brachte die von seiner neuen Firma entwickelte Programmierumgebung OpenStep mit, die zu einem Grundstein der späteren Betriebssysteme OS X und iOS werden sollte.

Einige von Apples heutigen Markenzeichen haben ihren Ursprung in der Übernahme anderer Firmen: Im Jahr 2000 kaufte Apple den 1998 für Mac OS entwickelten MP3-Player SoundJam mitsamt dessen Entwicklern. 2001 startete der darauf basierende Musikplayer iTunes, der heute zum Multimedia-Verwaltungsprogramm ausgebaut ist und einen Grundpfeiler in Apples Unternhemensarchitektur bildet.

2005 kaufte Apple mit FingerWorks eine Firma, die sich auf Gestenerkennung und Multitouch-Hardware spezialisiert hatte. Deren berühmteste Produkte waren die Eingabegeräte iGesture Pad und TouchStream-Keyboard, die vor allem für RSI-Patienten konzipiert waren, bei denen die Bedienung üblicher Computermäuse oder Tastaturen zu Beschwerden führen. Die auf Gesten basierenden Eingabetechnologien aus dieser Übernahme fanden 2007 ihren Weg in das erste iPhone und 2010 in das iPad.

Ein für heutige iPhones charakteristischer Dienst ist die Spracherkennungssoftware Siri. Auch diese war ursprünglich eine eigenständige Firma gleichen Namens, welche 2010 von Apple gekauft wurde. 2011 wurde Siri im Rahmen der Veröffentlichung von iOS 5 zur vorinstallierten Standardsoftware für iPhones ab der Generation 4S.

Im Jahr 2006 vollzog Apple den sogenannten »Intel-Switch«, den insgesamt zweiten Wechsel der Prozessorarchitektur in der Geschichte des Mac. 2008 kaufte Apple den Chiphersteller P.A. Semi, wodurch die Spekulationen nicht zur Ruhe kamen, Apple wolle sich wieder von Intel lösen und den Chip-Designprozess für Macs ins eigene Unternehmen verlegen - zumindest auf absehbare Zeit ist ein solcher Schritt aber eher unwahrscheinlich. 2010 und 2013 übernahm Apple mit Intrinsity und Passif Semiconductor zwei weitere Halbleiterhersteller. 2011 wurde mit dem israelischen Start-Up-Unternehmen Anobit auch ein erster Spezialist für SSDs eingekauft. An den in Apples mobilen Geräten verbauten ARM-Prozessoren ist Apple bereits zu 43% beteiligt.


Firmenkauf als Strategie: das Beispiel Apple Maps

Nach diesem kurzen Ausflug in Apples Firmengeschichte soll nun wieder auf die heutigen Strategieimplikationen eingegangen werden. Prädestiniert ist in diesem Zusammenhang die Geschichte der Apple Maps; insgesamt acht Unternehmensübernahmen sind bekannt geworden, die mit dieser Geschichte in Zusammenhang stehen und die Rückschlüsse auf Strategie und auch Probleme mit diesem Projekt zulassen.

Die ersten iPhones verfügten über Google Maps als vorinstallierte Kartenanwendung. Mit dem Aufkommen von Android als alternatives Betriebssystem zu iOS wandelte sich Google zum direkten Konkurrenten und Apple entschied, einen eigenen Kartendienst zu entwickeln, um Google Maps aus der Standardsoftware der iOS-Geräte zu verbannen.

Bereits 2009 kaufte Apple den Kartendienst Placebase. Dieser war 2008 gestartet und trat freiwillig in direkte Konkurrenz zu Google Maps, was ihn für Apple attraktiv erscheinen ließ. Placebase hatte die Pushpin API entwickelt, mit der man Geoinformationen wie Demographie, Kriminalität oder Schulangebot in Online-Karten einbauen konnte. Der frühere CEO von Placebase fand seinen neuen Job im »Geo Team« bei Apple. Ende des gleichen Jahres suchte Apple per Stellenausschreibung weitere Mitglieder für dieses Team, das in enger Abstimmung mit iOS-Chefentwickler Scott Forstall arbeitete.

Im darauffolgenden Jahr kaufte Apple den kanadischen Kartendienst Poly9, den Betreiber eines Browser-3D-Globus. Poly9 konnte Echtzeitstatistiken über die Position eines Nutzers inklusive der Höhenangabe ausgeben. 2011 folgte die Übernahme von C3 Technologies aus Schweden, das sich auf 3D-Modellierung spezialisiert hatte. Statt manuell erstellter Modelle nutzte die Firma eine weiterentwickelte Bildanalyse aus dem Militärbereich, um vollautomatisch 3D-Modelle der Orte zu erzeugen. Die Tiefenanalyse erfolgte hierbei durch Bewegung des Bildsensors in einem Flugkörper.

Anhand dieser drei Unternehmensübernahmen konnte man damals bereits mehr als nur die bloße Tatsache der Entwicklung eines eigenen Apple-Kartendienstes herauslesen. Auch die Schwerpunktsetzung von 3D-Modellen, Fly-Overn und Geoinformationen war bereits zu mutmaßen.

2012 wurde Apple Maps gemeinsam mit iOS 6 vorgestellt und ersetzte sofort Google Maps. Doch direkt hagelte es Kritik; teilweise peinliche Fehler wie falsche Ortsnamen, fehlende Städte und doppelt eingezeichnete Inseln sowie höchst ungenaue Adressplatzierungen sorgten für Spott und einen Fehlstart, für den sich Apple-CEO Tim Cook offiziell entschuldigen musste und die mit zu Scott Forstalls Entlassung führte. Nachjustierungen waren dringend erforderlich; das Jahr 2013 wurde zum Jahr der Firmenkäufe für die Verbesserung der Karten-App.

Anfang 2013 kaufte Apple WiFiSLAM, einem Unternehmen, das sich auf Innenraumlokalisierung spezialisiert hatte, also auf Lokalisierung von Geräten, die nicht oder nur ungenau durch GPS und klassische WLAN- und Funkturm-Triangulation erfassbar waren. Das Vorgehen basiert hier auf den sogenannten WLAN-Fußabdrücken, dem Messen von Stärke und ID erreichbarer WLAN-Quellen. Daraus können Positionen etwa an Flughäfen, in Einkaufszentren oder im Stadion genauer bestimmt werden.

Mit der Übernahme der kanadischen Firma Locationary verfügt Apple seit Mitte des Jahres 2013 über die Schnittstelle Saturn, mit der alle Informationen zu einem Unternehmen hinterlegt und von anderen Verzeichnisdiensten abgerufen werden können. Somit soll die Datenbank über Unternehmensstandorte sowohl möglichst vollständig als auch aktuell gehaten werden; eine direkte Folge der Kritik rund um falsche Adressplatzierung.

Im Gegensatz zu Google Maps besaßen die Apple-Karten bei ihrer Veröffentlichung keine eigene Routenplanung und griffen dafür intern auf andere Apps zurück. Im Laufe des Jahres 2013 wurden einige dieser Apps gekauft, wahrscheinlich um sie direkt in Apple Maps zu integrieren. Zuerst wurde die Übernahme von HotStop bekannt, dass sich auf Routenplaner für Fußgänger, Fahrradfahrer, Taxikunden und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel spezialisierte. Der Kauf von Embark macht Apple zum Eigentümer von zehn Routen-Apps, die sich jeweils auf bestimmte Städte und Gebiete beschränken. BroadMap war eine Firma, die bislang für mehrere Kunden Geo-Dienste anbot, etwa Adressen-Kartografierung oder weitere Points-of-Interest-Datenbanken.

Die Liste dieser Unternehmenskäufe zeigt die Zielrichtung der Kartendienstentwicklung bei Apple, die sich vor allem auf Schadensbehebung konzentriert: bessere, verlässlichere Adressierungen, umfangreichere Datenbanken und Kauf und Integration von bisher extern bezogenen Geodiensten wie etwa der Routenplanung.


Gegenwärtige Firmenübernahmen

Man hätte sich auch eines anderen Themenbereichs zuwenden können, um anhand von Unternehmensübernahmen Geschichte und Prognose eines Produkts oder eines Programms zu beleuchten:

  • Die Gesichtserkennung von iPhoto, die durch die Übernahme von Polar Rose 2010 vorbereitet wurde.
  • Die Neugestaltung des App Store, der eine neue, attraktivere Suchfunktion erhielt. Diese wurde 2012 in Gestalt der App-Suche Chomp eingekauft.
  • Der Fingerabdrucksensor des neuen iPhone 5S, der mit dem Kauf von AuthenTec 2012 zusammenhängt.
  • Die Entwicklung von HTML5 als Alternative zu Flash, die von Apple begonnen und 2012 mit der Übernahme von Particle weiter vorangetrieben wurde.
  • Die Weiterentwicklung von Apples Logic Pro, mit der die Übernahme des italienischen Herstellers von Audio-Software Redmatica zusammenhängt.

Für das Jahr 2013 sprach Tim Cook jüngst von 15 Unternehmenskäufen, die Apple getätigt habe. Von diesen sind bislang nur 12 bekannt geworden. Über den Chiphersteller Passif Semiconductor und die Übernahmen im Rahmen der Karten-App von WiFiSLAM, Locationary, HotStop, Embark und BroadMap ist bereits weiter oben berichtet worden.
Die verbleibenden sechs bekannten Übernahmen betreffen

  • Matcha, ein Unternehmen, das Fernsehgewohnheiten seiner Nutzer zusammenfasste, untereinander abglich und ihnen daraus persönliche Empfehlungen generierte. Abgedeckt wurden Streaming-Dienste wie Amazon, Amazon Prime, Hulu, iTunes, Netflix und Xfinity. Diese Übernahme befeuert die Gerüchte um ein neues verbessertes Apple TV.
  • AlgoTrim, ein schwedischer Komprimierungsspezialist für mobile Daten, mit dessen Hilfe Apple die Effizienz seiner mobiler Geräte verbessern und Code besser für die eingesetzten Mobilprozessoren optimieren könnte. Die Bild- und Video-Codecs könnten nützlich sein, wenn unterwegs aufgenommene Fotos oder Videos übertragen oder auch Medieninhalte mobil abgerufen werden sollen.
  • Cue, ein Informations-Aggregator, der Daten aus verschiedenen Quellen wie Dropbox, Facebook, Google, LinkedIn und Twitter in einer Übersicht zusammenstellt. Mit Hilfe dieser Übersichten könnte Siri ausgestattet werden, um im Wettbewerb mit Google Now besser auszusehen.
  • PrimeSense, ein Anbieter von 3D-Sensoren, der bislang für die Gestensteuerung bei Microsoft Kinect in der Xbox 360 verantwortlich war. Auch diese Übernahme könnte im Zusammenhang mit der erwarteten Weiterentwicklung des Apple TV stehen.
  • Topsy, ein Analyse-Anbieter für soziale Medien sowie ein Tweet-Archiv. Dieser könnte sowohl bei iAds angewendet werden als auch bei einer Verbesserung der »Beliebteste«-Anzeigen innerhalb des Musikstreamingdienstes iTunes Radio.
  • Catch, ein Wettbewerber von Evernote, der auch die Android-App »Compass« betrieb. Eine Integration der Organisations-Funktionen in die iOS-Apps Notizen und Erinnerungen ist wahrscheinlich.

2014 sind bereits zwei Übernahmen bekannt geworden.

  • SnappyLabs, die Firma hinter SnappyCam, mit der man deutlich mehr Bilder pro Sekunde mit der höchstmöglichen Auflösung erstellen konnte als mit der Kamera-App von Apple. Die Funktion dieses Konkurrenten werden wir wahrscheinlich bald in Apple Kamera-App wiederfinden.
  • Burstly, dem Entwickler mehrerer Entwicklertools. So ist anzunehmen, dass die in Burstlys Produkt TestFlight gebotene Möglichkeit, Betatests zu organisieren, bald von Apple direkt zur Verfügung gestellt wird. Weitere Tools von Burstly waren SkyRocket, das der Schaltung mobiler Anzeigen dient, und FlightPath, womit Statistiken zur Programmnutzung erfasst werden können.


Fazit

Der Umfang der Unternehmenskäufe bei Apple hält sich zwar im Rahmen, dennoch ist eine deutliche Ausweitung der Aktivitäten in den letzten Jahren zu verzeichnen. Die Bearbeitung neuer Märkte durch neue Funktionen, die vorher nicht von Apple angeboten wurden, gehen meist mit der vorherigen Übernahme darauf spezialisierter Unternehmen einher, sei es ein Fingerabdrucksensor, Gestensteuerung oder ein Sprachassistent. Auch akute Probleme und Zeitdruck sind ein Motor für Firmenkäufe, wie das Beispiel der Apple-Karten illustrierte.

Dennoch betrafen solche Übernahmen meist kleinere Firmen, wie auch das eingangs zitierte Standard-Statement von Apple zu diesem Thema verdeutlicht. Dennoch tauchten in jüngster Zeit auch immer neue Gerüchte zu Übernahmen größeren Umfangs auf. Sei es Tesla, der Hersteller von Elektroautos, der deutsche TV-Hersteller Loewe oder Basis Science, der Hersteller der Gesundheits-Armbanduhr Basis. Eine solche, umfangreichere Strategie bei Firmenkäufen wurde auch von Tim Cook angedeutet: »Wir schauen uns Großunternehmen an. Wir haben kein Problem damit, eine zehnstellige Summe zu investieren, wenn das im langfristigen Interesse von Apple ist. Keins. Null.«