

Am Montagabend fand die Keynote zur Worldwide Developers Conference 2025 statt – und die mit Sicherheit größte Neuerung war die Ankündigung einer neuen Benutzeroberfläche namens "Liquid Glass". Seit der Ankündigung sind nun zwei Tage verstrichen – genug Zeit, sich die neue Oberfläche einmal im Detail und im Alltag anzuschauen – und auch die technische Seite zu beleuchten.
Sehr schöner Glas-EffektFangen wir zuerst einmal bei den positiven Aspekten von "Liquid Glass" an. In einigen Szenarien sieht der Glas-Effekt außerordentlich gut aus – wie zum Beispiel beim ersten Start nach der Installation von macOS Tahoe:
Auch kommt der Glas-Effekt bei Benachrichtigungen am rechten oberen Bildschirmrand sehr schön zur Geltung:
Schiebt man eine Webseite hinter das Dock, wird auch hier ein eindrucksvoller Effekt samt Lichtbrechung sichtbar:
Positiv ist auch, dass sich auf einem fast vier Jahre alten MacBook Pro M1 Max keinerlei Geschwindigkeitseinbußen durch die komplexere Nutzeroberfläche feststellen lassen. Die Nutzeroberfläche fühlt sich gewohnt flüssig an – trotz zwei extern angeschlossenen Bildschirmen. Eine kleine Ausnahme gibt es hier: Ein leeres Safari-Fenster ruckelt extrem beim Vergrößern und Verkleinern.
Das Problem der normalen OberflächeApple setzte auf der Keynote zur WWDC 2025 die Liquid-Glass-Effekte gut in Szene, denn diese sehen in passenden Szenarien ausgezeichnet aus. Liegt ein Glas-Element auf einem kontrastreichen und farbstarken Foto, kommen die Elemente gut zur Geltung. Leider scheint es so, als hätte Apple Liquid Glass genau für diese Fälle entworfen – und nicht für normale Fenster oder Apps. Nehmen wir einmal ein normales Finder-Fenster als Beispiel:
Wer es nicht erkannt hat: Die linke Seitenleiste ist "Liquid Glass" und hebt sich kaum vom sonstigen Inhalt ab. Aus einem unbekannten Grund hat Apple die Toolbar-Knöpfe an der oberen Seite des Fensters mit einem sehr großen und völlig unpassendem Schatten versehen, welcher nicht richtig zur sonstigen Benutzeroberfläche passen will. Noch merkwürdiger wird die Nutzeroberfläche aber, wenn man ein Finder-Fenster in den Hintergrund schickt und es den Fokus verliert:
Hier verwandelt sich das "Liquid Glass" in ein graues "Ding" – und die Toolbar-Knöpfe verlieren völlig den Schatten und werden nun ebenfalls in Grau dargestellt.
Auch in anderen, "normalen" Programmen geht durch die Liquid-Glass-Seitenleiste die Struktur einer App fast vollständig verloren – hier am Beispiel des Mac App Stores:
Merkwürdige Design-Entscheidung im Dunkel-ModusScrollt man in Fenstern den Inhalt hinter die Toolbar, wird der Inhalt durch einen Weichzeichnungsfilter unscharf gezeichnet. Im Dunkel-Modus traf Apple hier aber eine sehr fragwürdige Entscheidung, denn der Weichzeichnungsfilter dunkelt hier den herausragenden Teil stark ab:
Es bleibt zu hoffen, dass es sich hierbei um einen Fehler in der ersten Entwicklervorabversion handelt.
Was war eigentlich so falsch an Fenstertiteln?Bereits seit mehreren macOS-Iterationen verabschiedet sich Apple immer mehr von normalen Fenstern mit einer Titelleiste, an welchem der Nutzer das Fenster verschieben kann. Diesen Trend geht Apple auch in macOS Tahoe mit Liquid Glass weiter – doch es wird immer schwerer zu erkennen, was eigentlich der Inhalt eines Fensters und was die Kontrollelemente sind:
In unpassenden Scroll-Zuständen wie auf diesem Screenshot ist mittlerweile selbst beim zweiten Blick kaum noch eine sinnvolle Struktur der Elemente zu erkennen.
Fazit: Zusätzliches Design-Element statt Re-DesignVor der Präsentation war aus der Gerüchteküche zu hören, dass es sich bei "Solarium", so der Codename von "Liquid Glass", um eine maßgebliche Neugestaltung der Apple-Nutzeroberfläche handelt. Leider wirkt macOS, iOS und iPadOS aktuell so, als hätte Apple einfach manche Nutzeroberflächen-Elemente durch "Liquid Glass" ersetzt – aber niemals das Gesamtergebnis in Augenschein genommen. Der eigentliche Effekt ist an vielen Stellen sehr gelungen und ein Augenschmaus – doch in den allermeisten System-Programmen wirkt das neue Design-Element deplatziert und nicht in das Gesamtkonzept integriert. Die Beobachtungen aus diesem Artikel stammen hauptsächlich aus macOS Tahoe, treffen jedoch auch auf iPadOS 26 und iOS 26 zu.
Die TechnikDie tiefste Ebene, auf welcher Liquid Glass für Entwickler zugänglich ist, sind die Frameworks AppKit und UIKit. Hier führt Apple insgesamt vier neue Klassen ein, mit welchen sich Liquid-Glass-Effekte realisieren lassen: NSGlassEffectView, UIGlassEffect, NSGlassEffectContainerView und UIGlassContainerEffect. Die ersten beiden Klassen erzeugen einen View, welcher den bekannten Glas-Effekt zeigt. Die anderen Klassen erlauben es, mehrere Glas-Views miteinander interagieren zu lassen – zum Beispiel, dass zwei Knöpfe in einer Animation zu einem verschmelzen.
Auf dem Mac, iOS und iPadOS arbeiten die Klassen wie erwartet – mit einer Ausnahme: Auf dem Mac gibt es bei der Darstellung von zwei sich verschmelzende Knöpfe noch Darstellungsfehler. Hier ist aber lobend zu erwähnen, dass Apple Entwicklern direkten Zugriff auf die Views gibt, welche den Liquid-Glass-Effekt erzeugen, sodass sich diese auch in eigene Nutzeroberflächen integrieren lassen. Bei der Einführung von iOS 7 mussten Programmierer noch sehr tricksen, um ähnliche Effekte wie Apple zu erzielen, da viele Programmierschnittstellen nicht zugänglich waren.