
Gleicher Klang für weniger Geld?Zitat Dan Clark: „Mit dem Noire XO haben wir alles daran gesetzt, das bestmögliche Klangerlebnis zu bieten, unabhängig vom Preis. Wie bei uns üblich, machen wir bei Kopfhörern im unteren Preissegment keine Abstriche. Vielmehr versuchen wir, die Technologie, den Komfort und die Leistung unserer Flaggschiff-Kopfhörer zu nutzen und die Kosten zu senken, um überragende Leistung zu einem niedrigeren Preis zu erzielen […]"
Das klingt sehr ehrenhaft, aber aus wirtschaftlicher Sicht birgt ein solcher Ansatz Probleme. Wenn das neueste Produkt durch optimierte Technologien und Produktionsprozesse billiger, aber gleich gut wie die Vorbilder ist, dann werden von den teureren Modellen nicht mehr viele verkauft und sie verstauben in den Verkaufsregalen.
Kompakt| Art | | Over-Ear, halboffen, Magnetostat |
Aber ganz so weit muss man es ja nicht treiben. Mit einem gewissen Respektabstand zu den Topmodellen – etwa durch nicht ganz so edle Materialien – bleiben auch Gründe für den Griff zu den Spitzenmodellen. Aber erst mal müssen wir hier die Frage klären, ob es DCA mit dem
Noire XO tatsächlich gelungen ist, die klanglichen Fähigkeiten seiner teureren Modelle zu erreichen. Da bietet sich als Vergleichsmaßstab der
DCA E3 an. Der kostet mit knapp 2.500 Euro fast doppelt so viel wie der Noire XO. Kann der Neuling dem E3 klanglich Paroli bieten?
Was zeichnet den Dan Clark Audio Noire XO aus?Der Entwickler Dan Clark hat sich auf das magnetostatische Schallwandlerprinzip spezialisiert. So wundert es nicht, dass auch der Noire XO nach diesem Prinzip arbeitet. Und wie der E3 ist auch er ein Over-Ear, aber laut Datenblatt in offener Bauweise. Wäre das überhaupt ein statthafter Vergleich mit dem geschlossenen E3? Ich meine schon, denn wie sich in der Praxis herausstellte, ist es mit der „Offenheit“ der Gehäuse des Noire XO nämlich gar nicht so weit her.
Der Noire XO ist streng genommen allerhöchstens ein halboffener Kopfhörer. Umgebungsgeräusche werden mit ihm durchaus noch merklich gedämpft. Beim E3 ist diese Dämpfung kaum größer. Keine Ahnung, warum DCA beim Noire XO nicht eher von „halboffen“ redet. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch sein Bruder Noire X (ohne „O“, welches für „Open“ steht) erwähnt, der als geschlossen geführt wird und Außengeräusche viel stärker dämpft.
Zu den Besonderheiten des Noire XO gehört, dass auch er mit dem von Dan Clark entwickelten und in diversen teureren Modellen eingesetzten Metamaterial AMTS (Acoustic Metamaterial Tuning System) zur Klanganpassung ausgestattet ist. Eben dieses exakt berechnete akustische Material soll der Hauptgrund dafür sein, warum der Noire XO für seinen Preis so gut klingen soll. Das AMTS sei auch dafür verantwortlich, dass der Noire (und seine größeren Geschwister) die Harman-Zielkurve nachbilden können, was für magnetostatische Kopfhörer schon recht selten ist. Mehr Basspotenz ist das Resultat.
Laut Dan gehört der Noire XO zu der sehr kleinen Gruppe magnetostatischer Kopfhörer, die eine absolut ausgewogene Klangsignatur erzeugen können, mit einem Bassdruck, den man sonst eher von geschlossenen Kopfhörern kennt. – Das höre ich mir gerne mal an.
Noch ein Blick auf die elektrischen Parameter des Noire XO: Die Impedanz gibt der Hersteller bis jetzt gar nicht an, was merkwürdig ist, denn das ist einer der wichtigsten Parameter für ein optimales Zusammenspiel mit dem Kopfhörerverstärker. Der deutsche DCA-Vertrieb audioNEXT (audiodomain.de) hat nachgemessen und kommt auf etwas über 14 Ohm. (Damit bestätigt sich auch die automatische Messung des Luxsin X9 Kopfhörerverstärkers (
siehe Testbericht).
Wie der E3 ist auch der XO nicht besonders empfindlich. Zwar spielt er etwas lauter als sein größerer Bruder, aber der Unterschied beträgt (nach gehörmäßigem Abgleich) nur etwa 3 dB. Damit ist er immer noch sehr viel leiser als die meisten herkömmlichen 16-Ohm Over-Ears und sollte daher an einem möglichst potenten und stabilen KHV betrieben werden.
Die wichtigsten technischen Daten des Noire XO:- Konzept: Over-Ear, halboffen
- Wandlerprinzip: Magnetostat
- Impedanz: ca. 14 Ohm (eigene Messung)
- Empfindlichkeit: vom Hersteller nicht angegeben, ca. 93 dB/mW @ 1 kHz, eher als leise einzustufen
- Gewicht: 408 g ohne Kabel
- Besonderheiten: Einklappmechanismus, Case-Form, Metamaterial zur Abstimmung (AMTS), Bajonett-Anschlüsse
High Noon im HörtestDen Hauptgegner bei den Hörvergleichen habe ich schon genannt. Der E3 aus gleichem Hause setzt hier den Maßstab. Der E3 überzeugt für einen als geschlossenen konstruierten Kopfhörer mit einem außergewöhnlich guten Raumgefühl. Das von geschlossenen Kopfhörern üblicherweise gewohnte (und unschöne) Isolationsgefühl bleibt mit ihm nahezu vollständig aus. Darüber hinaus ist der E3 ein vorbildlich neutraler Kopfhörer mit sehr natürlichen Klangfarben, feinen Höhen, konturiertem und tiefreichendem Bass und einer vergleichsweise hohen Belastbarkeit.
Die erste Erkenntnis mit dem Noire XO ist, dass seine Familienzugehörigkeit klar erkennbar ist. Tonal verfügt er über einen sehr ähnlichen Charakter. Im Grundsatz neutral abgestimmt und mit natürlichen Klangfarben gesegnet, ist er tatsächlich schon sehr nahe am E3.
Auch im Bass konnte der XO mit dem E3 gut mithalten. Beide Kopfhörer überzeugen mit einer präzisen, tiefreichenden, aber nicht überbetonten Tieftonperformance. Tiefe und satte Bässe auf Topniveau, aber ohne Überbetonung. Auch hier bleibt der Noire XO auf der neutralen, ehrlichen Seite, was seinen audiophilen Charakter unterstreicht. Andererseits: Wer nach einem Kopfhörer sucht, der im Bass stets ein wenig schummelt und mehr zugibt, als in der Aufnahme vorhanden, der wird mit dem XO vermutlich nicht glücklich werden.
Die Ähnlichkeit in Charakter und Performance der beiden Kopfhörer ist wirklich frappierend, angesichts des Preisunterschiedes. Dennoch habe ich im Laufe der Testphase immer häufiger zum E3 statt zum XO gegriffen. Das lag vor allem daran, weil der E3 in der Summe aller Dinge doch noch etwas transparenter, luftiger und souveräner erschien. Aber ist das den deutlichen Mehrpreis für den E3 wert? Das kann wohl nur jeder für sich selbst beantworten. Doch wer auf den Preis achten muss, kann ohne zu zögern zum Noire XO greifen.
Fazit: Downzizing und Downprizing gelungenTatsächlich ist es DCA mit dem Noire XO gelungen, fast alle Qualitäten seines deutlich teureren E3 in einen Kopfhörer der Preisklasse unter 1.500 Euro zu transplantieren. Wer ganz genau hinsieht und hinhört, findet im E3 nach wie vor das bessere Gesamtpaket – aber eben zu einem erheblich höheren Preis. Darum kann die Mission Noire XO nur als gelungen bezeichnet werden. Dieser Kopfhörer dürfte viele Fans einer besonders natürlichen Abbildung begeistern.
Empfehlenswert ist aber auch für den Noire XO ein kräftiger, hochklassiger Kopfhörerverstärker. An kleinen Popel-Amps kann er sein Potenzial nicht wirklich entfalten und spielt im schlimmsten Fall auch nicht laut genug. Mit einem sehr guten Dongle-DAC, wie dem iFi Audio GO Bar Kensei (
Test), ist der Noire XO aber auch für die Reise eine gute Wahl.
Plus/Minus Dan Clark Audio Noire XO+ sehr natürlich, sauberer Bass nicht überbetont, räumlich-transparent
+ gute Verarbeitungsqualität
+ hoher Tragekomfort
+ auch symmetrisch nutzbar (optionales Kabel erforderlich)
+ cleverer Einklappmechanismus
+ diskreter „Stealth-Look“
– braucht kräftige Kopfhörerverstärker