

Normalerweise würde ich einen Kopfhörer wie diesen im Rahmen des normalen TechTickers vorstellen. Aber aufgrund der besonders heiklen Natur dieses speziellen Produktes gönne ich dem
Hermès Kopfhörer – so der schlichte Name – einen eigenen Artikel. Warum? Weil klar ist, worum sich die Diskussionen in den Kommentaren drehen werden. Um anderen Produkten auch eine Chance auf Beachtung zu geben, lagere ich dieses Produkt mit erhöhtem Aufreger-Potential lieber aus. Hier kann nach Herzenslust gemosert werden – aber natürlich im Rahmen der Benimm- und Forumsregeln.
HERMÈS KOFHÖRER: Kein High End, sondern Luxus purApple-User und vor allem MTN-Leser kennen die Marke Hermès schon lange, denn das Familienunternehmen mit Sitz in Paris hat schon oft mit seinen unglaublich kostspieligen Leder-Armbändern für die Apple Watch in unserer Nerd-Welt für Aufregung gesorgt. Die aktuellen Angebote dazu finden Sie
hier im Apple Online Store. Auch für die AirPods hat Hermes
Leder-Etuis, für die ein Mehrfaches des Preises der Ohrhörer verlangt wird. Nämlich bis zu 1.250 Euro.
Das Empörungspotential ist natürlich groß, wenn für ein Armband mehr Geld verlangt wird, als für die eigentliche High-Tech-Uhr, die vermutlich Milliarden in der Entwicklung gekostet hat. Aber Hermès ist ein rein auf Luxusartikel spezialisiertes Unternehmen und dabei geht es nicht um rationale Kostenkalkulation, sondern um Exklusivität für wohlhabende Kunden. Der neue Kopfhörer von Hermès bietet da aber noch mal extra Konfliktpotential, weil damit Technik und reines Mode-Accessoir direkt miteinander verknüpft werden. Und weil viele Menschen teures High-End-Audio mit reinem Luxus gleichsetzen, was aber nicht der Fall ist. Lassen Sie mich das kurz aufdröseln…
Zunächst eine kurze Beschreibung des Produktes. Der
Hermès Kopfhörer ist technisch und funktional gesehen ein ganz normaler Over-Ear Kopfhörer mit Bluetooth, Noise Cancelling und Touch-Funktionen, wie es viele andere Kopfhörer auch können. Hermès macht um die technischen Details aber bewusst gar kein großes Tamtam. So erfahren wir beispielsweise nicht, welcher HiFi-Hersteller die nötige Technik beisteuert, denn Hermès selbst dürfte kaum unter die Kopfhörer-Produzenten gegangen sein. Ja wir erfahren nicht einmal, um welche Treibertechnik es sich handelt. Das interessiert vermutlich auch keinen, der diesem Kopfhörer haben will.
Es ist zwar nur eine Vermutung, aber es läge nahe, dass der renommierte französische Hersteller Focal die Technik beisteuert. Und aus den Bildern lässt sich zumindest ablesen, dass es sich wohl um ein Modell in akustisch geschlossener Konstruktionsweise handelt. Wenn Focal der Urheber ist, dürfte es sich bei den Treibern um dynamische Schallwandler handeln, vielleicht basierend auf den
Bathys-Modellen von Focal.
Der Schwerpunkt liegt hier aber auf einem ganz anderen Aspekt, nämlich auf der hochklassigen, in Handarbeit hergestellten Lederverkleidung des "Kopfhörer". Hermès selbst listet auf:
Der Kopfhörer ist mit den charakteristischen Details der Maison ausgestattet:- Das Leder an Kopfbügel und Hörmuscheln sowie die Ohrpolster aus Lammleder setzen das Savoir-faire der Sattlerkunst in Szene
- Das aus mikrosandgestrahltem und satiniertem Aluminium gefertigte Metallelement garantiert unumgängliche Leichtigkeit und erinnert in seiner Form an einen Steigbügel
- Auf dem Aluminiumteil ist eine "Hermès"-Signaturgravur aufgebracht
Die technischen Daten beschränken sich auf folgende Angaben:
- Akkulaufzeit: 30 Stunden (wie Focal Bathys)
- Lautsprecher (Treibermembrane) von 40 mm Größe (wie Focal Bathys)
- Lautstärke (womit vermutlich die unverzerrte Maximallautstärke gemeint ist): 110 dB
- Bandbreite: 20 Hz–40.000 Hz
- Impedanz: 32 Ω (Eigentlich unerheblich bei einem aktiven Kopfhörer, es sei denn, er hat auch einen passiven Kabelmodus, was aus der Beschreibung nicht hervor geht.)
KONNEKTIVITÄT
- 3,5 und 2,5 mm Klinkensteckerkabel mit 6,5-Adapter für den (nicht näher erklärten) "DJ-Modus"
- USB-C-Buchse zum Aufladen des Akkus (ob darüber auch Audio möglich ist, wird nicht erwähnt)
- Klinkenstecker- und USB-C-Kabel inbegriffen
Mögen die Spiele beginnenWährend sich der Preis des (mutmaßlich) zugrunde liegenden Modells Bathys von Focal bei deutlich unter 1.000 Euro bewegt, ruft Hermès für seine Leder-Version stramme 11.800 Euro auf. Lässt sich das rational irgendwie rechtfertigen? Schwerlich. Auch wenn die Lederarbeiten in reiner Handarbeit und mit wirklich allerfeinster handwerklicher Güte für jeden Kopfhörer mehrere Stunden in Anspruch nehmen und die restliche Mechanik ebenfalls sehr aufwendig hergestellt wurde (was übrigens in Frankreich geschehen soll, nicht in Fernost), ist der geforderte Preis dennoch äußerst sportlich.
Hier geht es, wie schon gesagt, mehr um Exklusivität. Geringe Stückzahlen und ein (sehr) hoher Preis sind verlockend, um sich von der Masse abzuheben, sofern man über genug Spielgeld verfügt. Aber genau da unterscheidet sich purer Luxus (wie die Hermès-Produkte) auch von High End – egal ob HiFi oder andere Bereiche. Auch wenn diese ebenfalls einen eindeutigen Luxus-Aspekt haben, nämlich den Umstand, dass wir uns diese (oft) nicht leisten können.
Während purer Luxus einzig und allein auf eben diese Exklusivität abzielt, ist High-End-Technologie eher das Streben nach maximaler technologischer Exzellenz, ohne Rücksicht auf die Kosten. Ähnlichkeiten gibt es nur in einem Punkt: Durch die geringen Stückzahlen ist die mögliche Käuferschicht beschränkt. Um damit profitabel zu sein, muss die Gewinnspanne entsprechend hoch sein, denn im Gegensatz zu herkömmlichen Produkten können Gewinne hier nicht durch schieren Massenabsatz erzielt werden.
Exklusivität, egal ob Luxus oder High End, verursacht aber leider auch immer Neid und Missgunst. Die Menschen hätten nun mal stets gerne das, was sie nicht haben können. Oder wie das Sprichwort sagt: Das Gras ist grüner auf der anderen Seite. Der HiFi-Vlogger John Darko hat als Ursache für das Problem eine psychische Störung namens COPE ausgemacht, was er in diesem Video sehr schön (und selbstironisch) erklärt:
Ob der COPE auslösende "Haben-wollen-Effekt" auch auf den Kopfhörer von Hermès zutrifft, ist schwer einzuschätzen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, das Unternehmen wird einige davon verkaufen. Mein persönliches COPE-Syndrom hält sich hier allerdings stark in Grenzen. Falls Sie finanziell gut genug gepolstert sind und den
Hermès Kopfhörer kaufen wollen: das geht auch per Apple Pay. Und vielleicht ist er ja bald auch im offiziellen Apple Online Store erhältlich.