

Kurz zur Vorgeschichte: Ich war nie ein übermäßig enthusiastischer Radfahrer. Gelernt habe ich die Kunst der Zweiradbalance zwar ganz klassisch im frühen Kindesalter – erst mit Stützrädern und später mit einem beherzten Schubs vom Vater, der die Stützräder heimlich eingeklappt hatte. Aber trotz dieser frühen Prägung war ich stets nur Teilzeit-Radler. Meine Leidenschaft galt dem Automobil. Aber die Zeiten und Umstände ändern sich.
Mein letztes Fahrrad (Bild) hatte ich in den 2000er Jahren. Das war ein ganz klassischer, aber schon sehr modern aussehender Drahtesel von Kalkhoff, mit Seitenläuferdynamo, Felgenbremsen und Kette. Modern war es insofern schon, weil es eine 8-Gang Nabenschaltung und Federung an Gabel und Sattel besaß. Aber noch keinen Akku und E-Motor. E-Bikes steckten zu der Zeit noch in den Kinderschuhen. Irgendwie schwand nach ein paar Jahren die Lust am Radeln mit diesem an sich sehr schönen Bike. Es stand lange nur im Keller herum, bis ich es in gute Hände innerhalb der Familie weiter gab. Ab diesem Zeitpunkt war ich für viele Jahre fahrradlos.
Änderungen meiner beruflichen Abläufe führten dazu, dass ich auch das Auto mit den Jahren immer weniger benötigte. Das war aber nicht der Grund, wieder ein Fahrrad anzuschaffen. Entscheidender waren langsam heraufdämmernde gesundheitliche Probleme, nach deren Überwindung (größtenteils) ich umdenken musste. Der erste Schritt war die Anschaffung eines Ergometers, um Wetter-unabhängig und ohne Ausredemöglichkeit etwas für die Pumpe tun zu können. Für die Hauptsaison wollte ich aber auch wieder ein wenig Strecke machen, wenn ich schon in die Pedale trete. Ich bleibe aber ein Schönwetter-Radler.
Das neue Rad anno 2025Von Anfang an stand fest, dass es diesmal ein eBike sein sollte. Die elektrische Unterstützung bedeutet ja nicht, dass man sich damit nicht mehr selbst bewegen muss, wie auch die Ärzte mir gegenüber stets betonten. Ein gutes eBike eignet sich ausgezeichnet für meinen Bedarf. – Womit die Suche nach der bestmöglichen Lösung begann.
Typisches Citty- und Trekking-eBike heutiger Zeit. Im Beispiel das KTM Macina 810 Belt in der Tiefeinsteiger-Variante. Damals hätte man "Damenrad" gesagt, heute ist das "unisex". Für welches Rad ich mich letztendlich entschieden habe, spielt hier aber keine Rolle. Vielmehr geht es um das ganze Drumherum wie zum Beispiel Fahrradcomputer, Schlösser, App-Steuerung und mehr. Denn die Fahrradwelt hat sich in den letzten 10-15 Jahren doch sehr verändert. Auch bei der Infrastruktur. Viele Städte und Gemeinden haben, was man als Autofahrer besonders merkt, dem Rad deutlich mehr Liebe geschenkt. So gibt es beispielsweise in meiner Heimatstadt Kiel heute tolle Velorouten (schön) und KFZ-Parkplätze in der Stadt müssen immer mehr Fahrradbügeln weichen (nicht so witzig).
Fahrradzubehöre – mal smart, mal nur blöd?Helme spielten während meiner letzten Fahrrad-Phase noch keine so große Rolle. Die waren seinerzeit eher noch etwas verpönt. Heute hat sich der Sicherheitsaspekt deutlich mehr durchgesetzt, was vor allem wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass Helme heute echte Mode-Accessoirs sind und es sie, wie Schuhe, in schier unendlich vielen Varianten gibt.
Vernetzt sind Helme zwar noch nicht, aber immer häufiger schon mit LED-Technik ausgestattet, um die Sicherheit weiter zu erhöhen. Es ist aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch diese "
Calimeros" per App steuerbar sind und über das Internet getrackt werden können. Meine Wahl fiel übrigens auf einen
ABUS HUD-Y in Racing Grey. Einfach, weil er mir richtig gut gefällt. (Ja, ich höre schon die "Hässlich!"-Schreie. Aber Ihr seid auch hässlich. Bätsch.) Eine magnetisch haftende LED-Leiste an der Rückseite bietet eine gewisse Zusatz-Sicherheit. Oder verspricht diese zumindest. Die Leuchte ist per USB aufladbar, jedoch leider noch per Micro-USB.
Inzwischen hat ABUS auch Helme mit weißer Front-Beleuchtung im Programm, wie den
ABUS HYP-E, der je nach Ausstattung stattliche 200 bis 300 Euro kostet. Der kann sogar blinken, ist aber noch nicht vernetzt.
Der Helm ist inzwischen gesellschaftlich akzeptiert. Gut so. Ebenso wichtig, und unabhängig von gesellschaftlichen Konventionen, gehört zum Rad leider immer auch das unvermeidliche Schloss. Denn so wie der Radverkehr und mit ihm die Dichte an hochwertigen eBikes zugenommen hat, sind auch die Fahrrad-Diebstähle förmlich explodiert. Immer dickere und bessere Schlösser wurden nötig, um die teuren Rädern vor Langfingern zu schützen. Und auch die Schlösser werden langsam aber sicher immer smarter. Obwohl es die totale Diebstahl-Sicherheit damit leider auch nicht gibt.
Natürlich gibt es nach wie vor ganz herkömmliche Schlösser mit Schlüssel oder Zahlenkombination. Doch neuerdings kommen auch welche mit Fingerabdruck-Sensor in den Handel. Wieder dient ABUS als Beispiel, die unter anderem das dicke
Kettenschloss YARDO 7807F mit Fingerprintsensor anbieten. Praktisch! Man benötigt keinen (verlierbaren) Schlüssel mehr und muss sich keine Zahlenkombi merken. Einfach Finger auflegen und KLICK! – ist es offen. Die Meinungen dazu sind allerdings gemischt. Nicht wenige Erstkäufer berichten von peinlichen bis ärgerlichen Situationen, in den das Schloss einfach nicht entriegeln wollte. Davon abgesehen ist eine Batterie erforderlich, die zwar ewig (10.000 Schließvorgänge) hatlten soll, aber wenn sie dann doch mal platt ist – und sei es nur wegen Überlagerung – hat man garantiert keine Ersatz-Batterie vom Typ CR2 in der Tasche. Daher, und weil die dicke, schwere, klimpernde Kette nicht ganz so mein Ding ist, habe ich mich stattdessen für ein Faltschloss mit Schlüssel entschieden.
Faltschlösser sind auch keine Fliegengewichte und haben auch so ihre Tücken, vor allem bei der Flexibilität, sollen aber die sichersten sein und sind in meinem Falle mit dem
ABUS BORDO 6200K in Sachen Transportgröße und Gewicht gerade noch erträglich. Wie es sich in der Praxis mit den recht knappen 90 cm verhält, wird sich noch zeigen. Wer es moderner will, bekommt von ABUS inzwischen auch Faltschlösser mit Fingerprintsensor, wie das
BORDO One 6000AF mit 120 cm Länge, das jedoch schon 1.760 g wiegt und über 200 Euro kostet. Aber es geht noch mehr. Der selbe Hersteller bietet neuerdings das
BORDO ONE 6500 A (fette 2.300 Gramm) mit App-Anbindung und integriertem Alarm an. Öffnen geht per iPhone oder Watch, oder in der RC-Variante per Fernbedienung. Natürlich funktioniert auch das nicht ohne integrierten Energiespeicher.
Schlösser sind so oder so leider nur ein notwendiges Übel. Immer sicherer, immer smarter, aber immer teurer und schwerer. Anders sieht es bei Fahrradcomputern aus. Früher sprach man gemeinhin vom Fahrrad-Tacho. Der wurde mechanisch vom Vorderrad angetrieben, zeigte die Geschwindigkeit per analogem Zeiger und zählte die abgespulten Kilometer. Später – immerhin schon zu Zeiten meines letzten Fahrrades – wurden die Tachos elektronisch und konnten ein paar zusätzliche Tricks, wie Tourendistanzen messen und ähnliches.
Spätestens mit der explosionsartigen Entwicklung und Vermehrung der eBikes wurde aus dem Tacho der Fahrradcomputer. Und der hat neben klassischen Anzeigefunktionen heute auch andere Aufgaben, wie etwa Daten zum Akkustand zu liefern, die E-Motorparameter anzupassen und natürlich sich zu vernetzen, um etwa mit Navigationsapps oder gar Apple Health zu kommunizieren. Statt analogem Zeiger oder primitiven LC-Displays á la 80er Digitaluhr kommen inzwischen auch vermehrt Farbdisplays mit ständig wachsenden Bildschirmdiagonalen zum Einsatz. Als Beispiele seien hier das im
Specialized Turbo Vado 5.0 IGH integrierte MasterMind Display (Bild) und die zugehörige, im App Store sehr hoch bewertete
Specialized-App, sowie das
Bosch Kiox genannt.
So kann das Specialized-System beispielsweise über die App den E-Motor im Rad sperren, damit dieser von einem Dieb nicht aktiviert werden kann. Auch die Integration mit Navigation und GPS-Ortung gehört zu den möglichen Features dieses und anderer Systeme. Das Turbo Vado 5.0 hat sogar serienmäßig ein Radar, dass sich von hinten nähernde Fahrzeuge akustisch und auf dem Display signalisiert.
Apropos GPS. Die Ortung eines Fahrrades kann natürlich auch über einen unauffällig angebrachten
Apple AirTag erfolgen. Das ist preisgünstig und zuverlässig, der Nutzen jedoch insofern eingeschränkt, weil die Polizei meist gar keine Handhabe hat, um etwa ein geklautes Rad aus der Diebeswohnung zu befreien. Aus diesen und weiten Gründen ist daher heute beim Kauf eines teuren eBikes auch eine (nicht ganz billige) Fahrradversicherung angebracht.
Oh, fast hätte ich es vergessen. Auch Fahrradbeleuchtung bleibt von der Vernetzung nicht verschont. Beispiel Lupine. Dort findet sich etwa das Modell
SL AX 2023, das nicht nur mit einer unglaublichen Leuchtkraft von 340 Lux/3.800 Lumen auftrumpft (mit StVZO) und über eine Bluetooth-Fernbedienung zwischen Fern- und Abblendlicht umgeschaltet werden kann. Per App und iPhone oder Watch lassen sich auch ihre Leuchtmodi konfigurieren. Die Wahnsinnslampe braucht allerdings einen eigenen Akku und kostet schlappe 675 Euro.
Im Extremfall hätten wir bei alledem schon drei oder mehr unterschiedliche Apps (und Bluetooth-Verbindungen) nur fürs Fahrrad.
Braucht man das alles wirklich?Diese Frage stellte sich mir bei meiner Suche nach einem geeigneten eBike irgendwann. Gerade die typischen City- und Trekking-eBikes, die für mich in Frage kämen, sind zudem durch große Akkus und fette Motoren zu regelrechten Zweirad-Monster-SUVs verkommen, mit denen ich mich irgendwie nicht so recht anfreunden kann. Zumal deren Gewicht nicht selten die 30-Kilo-Marke knackt. Braucht man das? – Brauche
ich das?
Am Ende fand ich zum Glück ein für mich passenderes Bike, das eher als "Mild-E" zu bezeichnen ist. Erheblich leichter als typische eBikes, dabei in Sachen StVZO komplett ausgestattet (Licht, Schutzbleche etc.), aber mit einem kleineren, nicht ganz so starken Motor und Akku ausgestattet und elektronisch nicht ganz so hochgerüstet. Die Probefahrt zeigte, dass das für meine Zwecke völlig ausreicht. Ich benötige einfach keinen 800 Wh-Akku und Drehmoment wie im Tesla-Insane-Mode. Lieber etwas weniger, aber mit 50 Nm immer noch völlig ausreichende Unterstützung und dafür etwas mehr Sport. Denn darum ging es mir ja auch. Nicht, um damit jeden Tag zur Arbeit zu pendeln, sondern um (bei schönem Wetter) die Gesundheit in der freien Natur zu fördern.
Dennoch bin ich sehr gespannt, wohin das alles noch führen soll. Werden Fahrräder bald, wie moderne Autos, stets mit dem Hersteller vernetzt sein, der bei Bedarf aus der Ferne die Motorsteuerung verändern kann und jederzeit die genaue Position des Rades kennt? Oder der womöglich den E-Motor abschaltet wenn die Leasingrate nicht bezahlt wurde? Werden Fahrradhelme bald auf Zuruf ihr integriertes Licht einschalten oder per KI gesteuerte Abbiegesignale geben? Alarmieren smarte Schlösser künftig die GSG9, wenn eine verdächtige Person sich dem Rad nähert? – Wir werden sehen. Und wo bleibt eigentlich Apples Fahrrad-Version von CarPlay?
Wie denken Sie über die "Versmartifizierung" (Wortschöpfung zum Patent angemeldet) von Fahrrädern? Welchen Grad an an elektronischen Helferlein und App-Steuerung/Vernetzung finden Sie noch sinnvoll und was halten Sie für absolut verzichtbar?