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Nach Apple-Kritik: Briten entschärfen sogenannte »Schnüffel-Charta«

Mit einer großen Mehrheit von 444 zu 69 Stimmen hat das britische Unterhaus die sogenannte »Investigatory Powers Bill« verabschiedet, von Kritikern auch »Schnüffel-Charta« genannt. Trotz anfänglicher Kritik schloss sich auch die Labour-Opposition dem Entwurf der konservativen Regierungsmehrheit an. Lediglich die schottischen Nationalisten von der SNP stimmten geschlossen gegen das Gesetz.

Apples Protest zeigte Wirkung
Der Grund für Labours Umschwung waren einige Änderungen des Entwurfs, die eine deutliche Entschärfung bedeuten. Sie betreffen insbesondere zwei von Apple und anderen Technologiefirmen im Vorfeld stark kritisierte Aspekte. Erstens sollen Hersteller von Technologiegeräten doch nicht gezwungen werden, Hintertüren in ihre Software einzubauen. Zweitens ist das Entfernen von Verschlüsselungen seitens der Hersteller nicht in jedem Fall verpflichtend, sondern nur dann, wenn es »technisch möglich und nicht übermäßig teuer« ist.



Schwammige Formulierung
Diese Formulierung bleibt allerdings schwammig. Wäre es übermäßig teuer für Apple, ein eigenes iOS-System zu entwickeln, welches die Sicherheitsmaßnahmen des Sperrbildschirms überwindet, und es auf das iPhone eines Terroristen zu spielen? Dieses Szenario war etwa bei dem großen Streit zwischen Apple und dem US-amerikanischen FBI Anfang des Jahres das Thema.

Legitimierung von Schadsoftware und Datenspionage
Trotz der offensichtlich entschärften Formulierungen des Gesetzestextes bleiben andere umstrittene Passagen erhalten. So legitimiert der Beschluss die bereits gängige Praxis britischer Sicherheitsbehörden, Schadsoftware einzusetzen, um an Daten von Geräten eines Verdächtigen zu kommen. Auch das Abfangen von Kommunikationsmetadaten ist fortan eindeutig rechtmäßig. Allerdings sollen Telekommunikationsunternehmen für ihre Kooperation Entschädigungszahlungen erhalten.

Weg bis zur Inkrafttretung
Die »Investogatory Powers Bill« hat nach dem Parlament nur noch zwei Hürden zu nehmen: die Prüfung durch Rechtsexperten und die Bestätigung im britischen Oberhaus. Sollten hier keine Beanstandungen aufkommen, könnte das Gesetz zum Januar 2017 in Kraft treten.

Apples Kampf gegen Überwachung
Apples Engagement gegen das britische Gesetz steht im Einklang mit den Bestrebungen des Unternehmens, staatliche Übergriffe in die Privatsphäre von Menschen zu geißeln. Neben Apple hatten auch Facebook, Alphabet, Microsoft, Twitter, Yahoo sowie die Mobilfunkunternehmen Vodafone und Group Plc Kritik an dem ersten Entwurf des Gesetzes geäußert. Ein ähnlicher Gesetzesentwurf in den USA - überparteilich ausgearbeitet von der Demokratin Diane Feinstein und dem Republikaner Richard Burr - ist übrigens nicht mehr in der Diskussion. Die scharfen Regeln fanden nicht die Zustimmung des Weißen Hauses.

Weiterführende Links:

Kommentare

sierkb08.06.16 11:29
heise (07.06.2016): NSA-Skandal: Britischer Geheimdienst kam mit der Überwachungs-Auswertung nicht nach
Während die britische Regierung mehr Überwachungsbefugnisse fordert, wird nun bekannt, dass der Inlandsgeheimdienst MI5 im Jahr 2010 zu viele Daten sammelte, um die noch auszuwerten. Eventuell hatte das sogar bereits einen Toten zur Folge.

heise (19.12.2015): Britischer Geheimdienst betreibt "Big Brother"-Datenbank Preston
Am Parlament vorbei hat der britische Inlandsgeheimdienst MI5 schon vor 15 Jahren mit einer massiven Vorratsspeicherung von Telekommunikations- Finanz- und Reisedaten begonnen, enthüllt der "Echelon"-Entdecker Duncan Campbell.

heise (25.09.2015): Von Webradio zu Pornoseiten: "Weltgrößte Überwachungsmaschine" der Briten
Neue Snowden-Dokumente zeigen angeblich, wie die GCHQ mithilfe von Programmen wie "Karma Police" auf Basis von Milliarden Metadaten und Cookies die Spuren und Gewohnheiten von Online-Nutzern verfolgt und daraus umfangreiche Profile erstellt.

heise (22.06.2013): Bericht: Briten schnüffeln Internet noch massiver aus als die USA




Derweil derzeit, Juni 2016, in Deutschland:

heise (06.06.2016): "BND-Reform": Koalition will das Internet im NSA-Stil überwachen
Der BND soll künftig auch im Inland Daten aus ganzen "internationalen Telekommunikationsnetzen" abschnorcheln und Passwörter abfragen dürfen, geht aus einem Gesetzentwurf hervor. Umstrittene Praktiken würden so legalisiert.

Zeit.de (07.06.2016): BND-Reform: Selbstherrliche Überwachung soll Gesetz werden
Wir reformieren die Geheimdienste, versprach die Bundesregierung. Nun hat sie zwei Gesetzentwürfe vorgelegt – die einfach alles erlauben, was bislang für Ärger sorgte.
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sierkb08.06.16 12:01
MTN (08.06.2016): Nach Apple-Kritik: Briten entschärfen sogenannte »Schnüffel-Charta«

versus

Netzpolitik.org (07.06.2016): Investigatory Powers Bill: Großbritannien stimmt für Überwachungsgesetz
Das Vereinigte Königreich hat ein neues Schnüffelgesetz. Das ist so weitgehend, dass sich sogar China zur Legitimation seiner Gesetzgebung darauf beruft.
Mit den Stimmen weiter Teile der Labour Party hat die konservative britische Regierung den Investigatory Powers Bill, eines der weitestgehenden Überwachungsgesetze westlicher Demokratien, durch das Parlament gebracht. Nur die Scottish National Party, die Liberal Democrats und Abgeordnete der Grünen stimmten dagegen. Das Gesetz wurde mit 444 zu 69 Stimmen angenommen.

Der Investigatory Powers Bill verpflichtet unter anderem Internet Service Provider, besuchte Webseiten und genutzte Apps von Nutzern für ein Jahr zu speichern. Die gespeicherten Daten dürfen ohne richterlichen Beschluss durchsucht werden, unter anderem von der Polizei, aber auch von Pensionsbehörden.

Das Überwachungsgesetz legalisiert zudem Abhörpraktiken des Nachrichtendienstes GCHQ an Internetknotenpunkten und Unterseekabeln. Es erlaubt dem Geheimdienst die Speicherung des gesamten Internetverkehrs für mehrere Tage, die Speicherung von Metadaten für sechs Monate. Zudem legalisiert das Gesetz das staatliche Hacken von Telefonen und Computern, selbst wenn die betroffenen Personen keine Beschuldigten sind.

Britische Bürgerrechtsorganisationen haben von Anfang an gegen das Gesetz mobilisiert und zahlreiche Argumente gegen „Snoopers´ Charter“ hervorgebracht. Als Risiken gaben die Gegner den Totalverlust der Privatsphäre, die Gefährdung der Pressefreiheit und des Informantenschutzes sowie eine Bedrohung der Internetsicherheit an. Außerdem sei das Gesetz von China als Argumentationsgrundlage für dessen weitgehende Überwachungsbefugnisse genutzt worden.


Von Entschärfung kann hier also mitnichten die Rede sein. Ganz im Gegenteil!
Das Gesetz ist der bis dahin gesetzeswidrigen Handlung angepasst worden, legalisiert jetzt Handeln, das bisher gesetzeswidrig war. Obwohl es eigentlich umgekehrt sein sollte: das Gesetz bestimmt das Handeln und die Praxis und gibt den Rahmen vor und nicht das Handeln und die Praxis das Gesetz.
Und in Deutschland folgt man diesbzgl. grad' dem britischen Vorbild. Und passt das Gesetz dem Handeln und der bis dahin gesetzeswidrigen Praxis an.
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