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Praxistest: Mac Pro 2013 - Eintopf für nicht jeden Geschmack

Das Leben ist Veränderung. Zwar streben die Menschen stets nach Sicherheit und Geborgenheit und versuchen, es sich in ihrer persönlichen Nische so bequem wie möglich zu machen, aber tragischerweise bedeutet das Erreichen dieses Ziels zugleich auch Stillstand. Wer rastet, der rostet – so das Sprichwort. Besser man richtet sich nicht allzu bequem ein und gibt Veränderungen zumindest eine Chance.

Genau das hat sich wohl auch Apple gesagt, als sie sich überlegt haben, wie die nächste Generation des Mac Pro aussehen sollte. Einfach das altbewährte Gehäuse nehmen, die neuesten Prozessoren und Grafikkarten reinstecken, mit Thunderbolt aufpimpen und „NEU!“ drauf schreiben? Oder lieber doch etwas gänzlich anderes wagen? Apple hat sich für Letzteres entschieden und herausgekommen ist dabei eine Workstation, wie es sie (in der Summe der Details) nie zuvor gegeben hat und die verblüffte User-Gemeinde in zwei Lager spaltet.

Das ist scheinbar eine unumgängliche Konsequenz, wenn man neue Wege beschreitet. Schon sehr früh nach der Vorstellung des Mac Pro als „Sneak Peak“ auf der WWDC im Juni vergangenen Jahres, als noch gar nicht allzu viele Details zu dem Gerät bekannt waren, gab es laute Kritik zu dem neuen Konzept. Von Abwanderungsdrohungen bis zu Untergangsprophezeihungen für Apple war (mal wieder) alles dabei. Diese Konzept ist so radikal neu, dass einige scheinbar nicht mal in Erwägung zogen, dass man damit seine Arbeit trotzdem würde machen können.

Der Wegfall des Towergehäuses mit seinen internen Steckplätzen könnte für bestimmte Anwendergruppen tatsächlich zu einigen Schwierigkeiten bei einem eventuellen Umstieg auf den neuen Mac Pro führen, oder zumindest zu nicht unerheblichen Kosten bei der Anpassung der vorhandenen Hardware an die geänderten Umstände. Gewiss wird Apple dadurch auch einige Kunden verlieren. Die Frage ist nur, ob auf der anderen Seite nicht viel mehr neue Kunden hinzugewonnen werden können. Das Zeug dazu hat der neue Mac Pro.

Ungewöhnlich ist nicht nur das neue Design, sondern auch die Art der Produktvorstellung. Schon rund ein halbes Jahr vor der eigentlichen Markteinführung gab Apple mit besagtem „Sneak Peak“ einen Ausblick auf die Neuheit, was völlig untypisch für Apple ist. Wahrscheinlich kam hier der Umstand zum tragen, dass die Mac Pro-Produktlinie schon längere Zeit nicht mehr aktualisiert wurde und die lange Entwicklungszeit des Neuen, zusammen mit der völlig neuen Infrastruktur, die für die Herstellung in den USA aufgebaut werden musste, die Gefahr in sich barg, dass zu viele Mac-Pro-Kunden das Vertrauen verlieren und abspringen würden. Doch um das zu vermeiden, hätte es wahrscheinlich auch gereicht, zur WWDC 2013, oder noch früher, einfach eine klare Aussage zu tätigen, dass ein neuer Mac Pro in Entwicklung wäre und voraussichtlich Ende 2013 kommen würde. Zusammen mit dem Hinweis, dass der neue natürlich „Awesome“ werden würde.

Die „Sneak-Peak-Masche“ war auf jeden Fall ungewöhnlich. Auf diese Weise hatten sowohl die Kritiker, als auch die Befürworter des neuen Konzepts genug Zeit, sich intensiv Gedanken darüber zu machen, ob ihnen der Zylinder im Dark-Chrome-Finish in den Kram passt, oder eher nicht. Viele der besonders energischen Gegner haben sich schon früh festgelegt, womit ihnen jetzt eigentlich nur noch ein Systemwechsel als Ausweg bleibt, denn es sieht nicht danach aus, dass Apple die sicherlich gigantischen Investitionen in den neuen Mac Pro einfach so über den Haufen werfen wird, nur weil ihnen aus einer Richtung kalter Wind ins Gesicht bläst.

Zurück ins hier und jetzt. Die Auslieferung des neuen Mac Pro hat inzwischen begonnen. Die Lieferbarkeit ist derzeit allerdings noch sehr eingeschränkt. Wer heute im Apple Store einen Mac Pro bestellt, muss mit mindestens einem bis zwei Monaten Lieferzeit rechnen (aktueller Lieferstatus: "April“). Das bedeutet entweder, dass der neue Mac Pro geht „wie geschnitten Brot“, oder dass es noch Schwierigkeiten in der Produktion oder bei den Zulieferern gibt. – Oder beides.

Als Frühbesteller, der kurz nach Freigabe der Bestellmöglichkeit im Store am 19. Dezember seinen Auftrag platziert hat, traf mein 6-Core mit 32 GB RAM, 512 GB SSD und D500 Grafik am 04. Februar endlich ein. Mit der Versandbestätigung am vorletzten Werktag im Januar hatte Apple sein Lieferversprechen ("Versandfertig: Januar") damit so gerade eben eingehalten. Zu dem Zeitpunkt gab es im Netz aber schon reichlich Auspackzeremonien und sogar einige sehr ausführliche Tests in US-Publikationen zu sehen bzw. zu lesen.

Aus diesem Grund erspare ich mir für diesen Bericht sowohl ein weiteres Mac-Striptease-Video, als auch exzessive Benchmark-Tests, die nach meinem Dafürhalten sowieso immer nur die halbe Wahrheit sagen, egal wie viele Einzeltests es auch sein mögen, denn ein Computer ist letztendlich immer als komplexes System zu betrachten. Ein Auto wird auch nicht dadurch zu einem gelungenen Fahrzeug, weil es einen starken Motor und einen großen Tank hat. Auf die Abstimmung der Komponenten und Baugruppen untereinander kommt es an.

 

 

 

Die Grundidee

Die Grundidee im neuen Design des Mac Pro zielt vor allem auf Leistung bei gleichzeitiger Energieeffizienz ab. Darum sind die am meisten Wärme erzeugenden Bauteile auf einem großen gemeinsamen Trägerelement, dem „Thermal Core“, einem Alu-Kühlkörper mit dreieckiger Grundform montiert, der im Zentrum des zylinderförmigen Gehäuses steckt. (iFixit.com hat den neuen Mac Pro inzwischen fachmännisch zerlegt und die Einzelteile in forensischer Detailtreue fotografiert.)

Der äußere Gehäusezylinder macht sich mit seinen großen Öffnungen an der Ober- und Unterseite die Wirkung des Kamineffekts zunutze. Die im Inneren erzeugte Hitze steigt auf und erzeugt dadurch an der Unterseite einen Unterdruck, der kühlere Luft ansaugt und nachführt. Unterstützt wird dies lediglich durch einen ungewöhnlich großen Lüfter an der oberen Austrittsöffnung, der die Sogwirkung verstärkt, dabei aber die meiste Zeit nur mit sehr geringen Umdrehungszahlen läuft. Das sind in der Regel rund 770 Umdrehungen pro Minute. Nur bei starker Last wird die Drehzahl erhöht, um mehr Wärme abführen zu können.

Apple hat für den Lüfter eine spezielle Luftführung und Schaufelradgeometrie entwickelt, die für ein äußerst geringes Betriebsgeräusch sorgt. Im Standardbetrieb ist der neue Mac Pro fast nicht zu hören. Neben einem aktuellen MacBook Pro in gleichem Abstand und in absolut ruhiger Umgebung ist er etwas deutlicher zu vernehmen. Aber im Gegensatz zum MacBook ist der Mac Pro nicht ganz so kritisch bei ansteigender Last. Um die Lüfter des MacBook Pro zu einem deutlich hörbaren Rauschen zu bringen, reicht es manchmal schon aus, ein HD-Video abzuspielen.

Der Mac Pro erhöht bei solchen "Kleinigkeiten" nicht mal ein bisschen die Drehzahl des Lüfters und bleibt somit unverändert leise. Selbst wenn er schwer gefordert wird und der große Lüfter auf seine maximale Drehzahl von ca. 1.900 UPM hochgefahren wird (was in der Praxis nur selten vorkommen dürfte und äußerst schwer zu provozieren ist), bleibt das Betriebsgeräusch sehr erträglich, weil es sich nicht in ein zischendes Pusten, sondern eher in ein dezentes Hauchen verwandelt. Die großen Ein- und Austrittsöffnungen und der strömungsoptimierte Lüfter machen den Unterschied. Das allein hebt ihn von seinen rauschenden Vorgängern deutlich ab und macht ihn zu einen wesentlich angenehmeren Partner am Arbeitsplatz.

Wie effizient die Wärmeableitung des Mac Pro funktioniert, kann jeder selbst feststellen, indem er die Hand über die große Austrittsöffnung hält. Schon im Normalbetrieb bei niedrigster Drehzahl ist ein deutlicher, eher kühlender Luftzug zu spüren. (Gut gegen schwitzige Hände!) Die Temperaturen der internen Bauteile, vom RAM bis zum Prozessor, liegen dabei im Schnitt bei gerade mal 30° C, plus/minus ein paar Grad. Um den Mac Pro überhaupt zum Transpirieren zu bringen, muss der CPU und den GPUs schon ein verdammt großer Batzen Code zum Fraß vorgeworfen werden.

Das zweite Kernelement des neuen Designs ist der Verzicht auf interne Steckplätze. Anstatt mit einem großen Gehäuse viel Luft zu umbauen, um eventuell darin zusätzliche Steckkarten oder Laufwerke betreiben zu können, lautet die Devise beim neuen Mac Pro: Alles drin, was absolut nötig ist, alles andere kann extern hinzugefügt werden, wenn der Kunde es braucht. Damit muss auch kein Netzteil verbaut werden, das Leistung für Zusatzmodule bereithalten muss, die vielleicht nie eingebaut werden. Ebenso wird ein völlig überdimensioniertes Kühlsystem mit multiplen Lüftern überflüssig. Nur dadurch wurde es möglich, den neuen Mac Pro so kompakt zu bauen.

Für die Anbindung von externen Erweiterungen bietet der Mac Pro 2013 sechs Thunderbolt-2-Ports, vier USB-3-Anschlüsse und zwei Gigabit-LAN-Schnittstellen. Darüber hinaus verfügt er standardmäßig über Gigabit WLAN (802.11ac) und Bluetooth 4.2. Mehr zum Thema interne Erweiterbarkeit weiter hinten im Text. Apple entledigt sich damit grundsätzlich der Notwendigkeit, eine interne Infrastruktur für Fremdprodukte vorhalten zu müssen, über die man selbst keine Kontrolle hat. Das kann aus Verbrauchersicht ebenso positiv wie negativ angesehen werden. Für Apple bedeutet das ganz einfach weniger Unbekannte in der Gleichung.

Drittes Kernelement des neuen Designs: Apple setzt verstärkt auf Rechenleistung durch GPUs und verbaut deswegen gleich zwei Grafikkarten mit sehr hoher Spezifikation. Stattdessen kommt – zumindest in der ersten Generation des neuen Designs – nur eine Workstation-CPU mit 4 bis 12 Kernen zum Einsatz. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Kosten für Workstation-CPUs, genauer gesagt die Intel Xeons, mit zunehmender Anzahl der Kerne exorbitant steigen. Während der 4-Core Mac Pro für rund 3.000 Euro zu haben ist, beträgt allein der Aufpreis für die 12-Core-Variante absurde 3.500 Euro. Der maximale Aufpreis für die Grafikoptionen liegt da mit 1.000 Euro vergleichsweise günstig, dabei können leistungsfähige GPUs in vielen (nicht allen) Situationen sogar viel mehr bringen, als zusätzliche CPU-Kerne.

Wo genau der Sweet-Spot in Sachen CPU-Cores ist, muss jeder Kunde selbst auf Basis seiner Anwendungen ermitteln. In den meisten Fällen dürften die Basismodelle mit 4 oder 6 CPU-Kernen ausreichen. Möglicherweise hat Apple auch hier mittels genauer Bedarfsanalysen festgestellt, dass Multiprocessing/Multicore-Anwendungen nur einen vergleichsweise kleinen Anteil bei der anvisierten Kundschaft ausmachen und sich daher lieber für die in Zukunft wahrscheinlich immer wichtiger werdende Multi-GPU-Lösung entschieden.

Die CPU ist übrigens gesockelt und kann mit relativ geringem Aufwand von versierten Anwendern selbst getauscht werden. Inzwischen wurde bestätigt, dass sich auch andere XEON-CPUs einbauen lassen, die Apple selbst nicht anbietet (siehe OWC Blog). Ob künftige Mac Pro wieder Dual-CPU-Optionen bieten werden, ist schwer einzuschätzen, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Mit verbesserter Energieeffizienz der Prozessoren, wie im Desktop-CPU-Bereich gerade überzeugend demonstriert wird, sollte das Kühlkonzept des neuen Mac Pro mit einer hypothetischen künftigen Dual-Workstation-CPU-Lösung kein Problem haben.

Der gesamte Hardwareaufbau des neuen Mac Pro ist mit vergleichsweise wenigen Baugruppen realisiert, die einfach zu demontieren und zu tauschen sind, was die Servicefreudlichkeit erhöht. iFixit hat dafür 8 von 10 möglichen Punkten vergeben, was einer der besten Scores für Apple-Produkte seit langem ist. Theoretisch ließen sich sogar die Grafikkarten mit wenig Aufwand gegen hochwertigere ersetzen, wenn Apple welche verfügbar macht. Ob es jemals einen entsprechenden offiziellen Upgrade-Pfad geben wird, ist aber fraglich.

Bei den am häufigsten vom User getauschten Komponenten, dem RAM und dem Massenspeicher, ist der Austausch ein Kinderspiel. Einfach die Verriegelung an der Rückseite lösen, den Gehäusezylinder nach oben abziehen und schon hat man Zugriff. Die RAM-Riegel können ganz einfach ohne Werkzeug ersetzt oder aufgerüstet werden. Im Zubehörhandel gibt es passende RAM-Riegel zu deutlich günstigeren Preisen, als die von Apple angebotenen. Zum Austausch der SSD muss lediglich eine Sicherungsschraube gelöst werden. Passende SSDs von Fremdanbietern sind bereits in Vorbereitung.

Konsequenterweise verzichtet Apple beim neuen Mac Pro auch auf interne optische Laufwerke. Apple nimmt wohl an – zurecht, wie ich behaupten möchte –, dass die Tage der CD-, DVD- und Blu-ray-Brenner gezählt sind und ein standardmäßiger Einbau solcher Laufwerke nicht mehr zeitgemäß ist. Wer nach wie vor auf diese Technik angewiesen ist, kann sie ebenfalls bequem extern anschließen. Ich persönlich habe seit rund zwei Jahren keinerlei optisches Laufwerk mehr und habe es auch nicht vermisst. Von daher finde ich es absolut okay, dass ich kein Bauteil kaufen (sprich: bezahlen) muss, das ich nicht benötige. Das gilt übrigens auch für die nicht serienmäßig mitgelieferte Tastatur und Maus. Solche Eingabegeräte besitze ich bereits und muss daher keine aufgezwungene Tastatur/Maus im Schrank verstauen. Wer Tastatur und Maus benötigt, kann diese natürlich mit einem Mausklick problemlos dazu bestellen.

In letzter Konsequenz bedeuten all diese Designentscheidungen: Der neue Mac Pro ist pures „Solid State"! – Mit Ausnahme des einzelnen Lüfters natürlich.

Noch ein wichtiger Aspekt, der den Mac Pro auszeichnet, ist seine konsequente Unterstützung für 4k-Displays. Selbst in der Basisausführung können bis zu drei der hochauflösenden Displays mit 60 Hz und ein weiterer 4k-Bildschirm via HDMI mit 30 Hz betrieben werden. Bis jetzt habe ich mangels geeignetem Monitor noch keine Gelegenheit gehabt, diesen Vorteil zu nutzen, aber das soll sich in absehbarer Zeit ändern. Erfahrungen damit reiche ich nach, wenn es soweit ist. Die massive 4k-Unterstützung sagt aber auch einiges über die von Apple angepeilte Zielgruppe aus. Video- und Fotografen, sowie andere grafische Anwendungen, in denen die hohe Auflösung nützlich ist, dürften derzeit kaum eine bessere Maschine für ihre Zwecke finden.

 

 

 

Design/Finish

Mit einem Wort: Atemberaubend!
Nie zuvor gab es einen Computer mit einem derart edlen und toll verarbeiteten Gehäuse in vergleichbarer Material- und Verarbeitungsqualität. Sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch der innere Aufbau sind wegweisend. Das minimalistische Design mag Geschmacksache sein und provoziert aufgrund seiner reduzierten Basis-Geometrie weniger sensible Zeitgenossen zu allen möglichen und unmöglichen abwertenden Vergleichen mit irgendwie zylindrisch geformten Gegenständen, aber wer nur ein wenig Sinn für Ästhetik hat, muss Apple hierfür einfach Respekt zollen. Wer den neuen Mac Pro in Natura erlebt, kommt kaum umhin, das „Dark Chrome“-Finish zu bewundern, welches je nach Lichteinfall mal tiefschwarz, mal anthrazit und mal fast silbern erscheint – ohne changierende Glltzer-Disco-Effekte, wie von einigen Auto-Lackierungen primär aus der Pimp-my-Ride-Szene bekannt. Fotos können das hochwertige Erscheinungsbild nur ungenügend bis gar nicht wiedergeben. Ein paar Aufnahmen habe ich trotzdem gemacht und hier angehängt.

Allerdings: Das Finish ist nichts für „Grabscher“ und Raumhygiene-Muffel. Nur im sauberen Zustand wirkt er rein und edel, mit Fettfingern übersät eher unansehnlich, und fingerabdruckempfindlich ist er ohne Ende. Die insgesamt hervorragende Verarbeitung hat leider kleine Abstriche bei den Ports. Einige davon sehen an den Rändern bei genauerem Hinsehen etwas zerfranst aus, fast als hätte jemand die Öffnungen mit einem Taschenmesser ausgeschnitzt. Das passt nicht ganz zur brillanten Präzision des restlichen Gehäuses, ist aber vernachlässigbar, da in der Regel vollkommen unsichtbar.

Ob man das Design nun mag, oder nicht: Verglichen mit den Angeboten des gesamten restlichen Computermarktes wirkt der neue Mac Pro wie ein Besucher aus der Zukunft. – Einer besseren Zukunft.

 

 

 

Thema Kabelsalat

Da manche Personen dies scheinbar als einen großen Kritikpunkt des neuen Mac Pro ansehen, möchte ich zum Thema Kabel etwas weiter ausholen, um die Perspektive zurechtzurücken. In meinem Büro, rund um meinem Schreibtisch befinden sich folgende Komponenten bzw. Kabel (wobei beruflich bedingt ein ständiger Wechsel herrscht):

  • Mac
  • Monitor (Momentan einer, demnächst zwei)
  • Router/DSL-Modem/Telefonanlage (Fritz!Box)
  • Alice-Box (kürzlich ausgemustert)
  • 2 Drucker (1 Multifunktion-, 1 Fotodrucker)
  • zwei Schreibtischlampen
  • HiFi-Verstärker/DAC
  • Kopfhörerverstärker
  • NAS
  • aktiver USB-Hub (daran u.a. einige Festplatten)
  • Ladeschale DECT Telefon
  • Ladegerät Kamera
  • Ladegerät iPad

Jedes dieser Geräte verfügt über einen Stromanschluss und die meisten davon zusätzlich über weitere Kabelverbindungen wie LAN, USB, Audiokabel etc. Um alle Geräte mit Strom zu versorgen, sind zusätzliche Netzleisten erforderlich, die ebenfalls Gehäuse und Kabel haben.

Das absolute Minimum an Kabeln, welche am alten Mac Pro anzuschließen waren, sind Netzkabel und Monitorkabel. In den meisten Fällen dürften aber noch weitere Kabel, etwa für einen USB-Hub oder LAN angeschlossen sein. Gehen wir also von einem Minimum von drei Kabeln aus und betrachten uns die Sache bei einem MacBook, welches wie der neue Mac Pro über keine internen Erweiterungsschächte oder -Slots verfügt: Das Minimum an Kabel ist hier ein Netzkabel und ein USB-Kabel, mutmaßlich bei Heimbetrieb noch ein Thunderbolt-Kabel (DisplayPort zum Monitor, ggf. mit Festplatten dazwischen). Also realistisch wohl drei Kabel Minimum.

Wie sieht die Sache nun beim neuen Mac Pro aus? Netzkabel, Thunderbolt-Kabel zum Display, ggf. mit Thunderbolt-Laufwerk dazwischen, USB-Kabel. Auch hier sind das realistische Minimum also drei Kabel. Im Ernstfall könnten es natürlich viel mehr sein, doch das trifft auch auf den alten Mac Pro zu. Ist dieser mit zusätzlichen PCI-Karten ausgestattet, dürften diese in vielen Fällen eigene Anschlüsse, etwa für Monitore, Netzwerke, USB-Erweiterungen und dergleichen mitbringen. Zudem können beim alten Mac Pro auch vorne Kabel angeschlossen werden, die dann sichtbar über den Teppich hängen. Alle rückwärtigen Kabel sind unter dem Tisch wahrscheinlich gut verborgen, aber das ist auch beim neuen Mac Pro kaum anders, den man in der Regel an die hintere Tischkante stellen wird, wo die Kabel unmittelbar unter den Tisch laufen. Bei Bedarf kann der neue Mac Pro übrigens auch liegend betrieben werden. Dadurch ist es möglich, die Anschlusskabel noch weniger sichtbar an der hinteren Tischkante verschwinden zu lassen, ODER sogar vollkommen unsichtbar durch ein entsprechendes Loch in der Tischplatte.

Und bei alledem wird die Anzahl der Kabel doch eher, wie oben aufgelistet, durch ganz andere Geräte bestimmt. Der Mac, egal welcher, trägt in den meisten Fällen nur einen Bruchteil zu dem ohnehin vorhandenen Wust an Strippen bei. Bei realistischer Betrachtung entpuppt sich der Vorwurf des Kabelsalates durch den neuen Mac Pro also eher als Sturm im Wasserglas und eine schlecht durchdachte Behauptung. Für mich persönlich bedeutet der neue Mac Pro gegenüber meinem früheren Setup sogar weniger sichtbare Kabel, denn das MacBook Pro konnte ich nicht so auf dem Tisch positionieren, dass die Anschlusskabel unsichtbar hinter/unter den Tisch verliefen.

Es kommt am Ende darauf an, was man an externer Hardware WIRKLICH braucht und wie man seinen Mac aufstellt. Braucht man sehr viele Hardwarekomponenten (erst mal unabhängig davon, welche damit gemeint sind), wird der Kabelverhau größer. Das trift genauso auf Tower-Computer zu, je nachdem, welche Art von Peripherie man nutzt. Man kann den neuen Mac Pro aufgrund seiner kompakten Maße genauso irgendwo unter dem Tisch aufstellen oder anbringen (auch liegend) und ggf. seine Anschlüsse auch nach vorne ausrichten. Der Zugang zu den Schnittstellen ist in keinem Fall schlechter, als mit einem schweren Mac Pro Tower unter dem Tisch. Aus meiner persönlichen Erfahrung sowohl mit Tower-Macs, mit MacBooks und nun auch mit dem neuen Mac Pro stelle ich fest, dass es mit Tower-Macs zu keinem Zeitpunkt aufgeräumter in Sachen Kabelverbindungen war, als mit einem MacBook oder dem Darth Pro. Es ist vielmehr eine Frage der Organisation. Oder anders ausgedrückt: Kabelsalat hat nur, wer sich selbst welchen macht.

 

 

 

Kraftbolzen mit viel Drehmoment

Aufgrund seiner kompakten Maße verglichen mit dem alten Mac Pro bezeichnen manche den Alu-Zylinder etwas abschätzig (manchmal sogar mit bewusster Gehässigkeit) als „Mac mini Pro“. Damit einher geht nicht selten die Unterstellung mangelnder Leistungsfähigkeit. Alle bisherigen Tests mit intensiver Überprüfung der Leistung (wie hier bei AnandTech) haben jedoch bewiesen, dass die Leistungsfähigkeit der Hardware des neuen Mac Pro für eine Workstation ihrer Preisklasse über jeden Zweifel erhaben und voll auf der Höhe der Zeit ist. Auch in Sachen Preis/Leistung steht der neue Mac Pro damit zur Zeit ganz weit oben in der Nahrungskette. Wenn es berechtigte Kritik an der Leistung gibt, bezieht sich diese eher auf die Software-Seite, worauf ich im weiteren Verlauf des Artikels noch mal eingehe.

Eine Frage des persönlichen Bedarfs und Geldbeutels ist es, ob man diese Leistung wirklich braucht. Kein Zweifel: Nicht wenige werden sich den Mac Pro rein des Designs wegen bestellen, obwohl sie dessen Power wahrscheinlich nie voll ausschöpfen werden. Anderen ist das Design womöglich vollkommen schnuppe und wollen lediglich alles an Rechenleistung herausquetschen, was geht. Bei mir persönlich liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen. Als ambitionierter und aktiver Fotograf benötige ich Leistung vornehmlich in Bereichen wie Datendurchsatz und Monitoransteuerung, sowie beim Rendern von RAWs und deren Vorschauen.

Leider unterstützt die dafür von mir eingesetzte Adobe Software die Möglichkeiten des neuen Mac Pro noch nicht ausreichend, sodass vorerst einiges an Reserven brach liegt und der Vergleich mit anderen, billigeren Macs, wie dem iMac, nur geringe Vorteile für den Mac Pro zu Tage fördern. Aber ich setze hier auch ein wenig auf die Zukunft, und darauf, dass Adobe (und andere) nicht völlig blind an dem Potential des Mac Pro vorbei gehen werden. Einige Softwareanbieter haben bereits reagiert. Das weniger auf den professionellen Markt abzielende Bildbearbeitungsprogramm Pixelmator (siehe Meldung auf MTN) hat kürzlich ein Update erfahren, mit dem die Möglichkeiten der neuen Hardware besser ausgenutzt werden. Andere werden folgen.

Einen spürbaren Leistungsfortschritt wird trotzdem fast jeder bemerken, was insbesondere der sehr schnellen PCI-SSD des Mac Pro zu verdanken ist. Daten kopieren oder verschieben, Im- und Exportvorgänge oder auch nur das Öffnen von Programmen geht damit um ein Vielfaches flotter, als mit jedem auf Festplatten basierenden System. Auch gegenüber der schon sehr schnellen SSD in den aktuellen MacBook Pro ist noch eine Steigerung spürbar und auch messbar. Realistische Schreib-/Leseraten um 1.000 MB/s bedeuten einen merklich flüssigeren Arbeitsablauf in vielen Bereichen, die nichts mit High-End-Computing zu tun haben müssen.

 

 

 

Interne Erweiterbarkeit

Der alte Mac Pro bot im Unterschied zum 2013er-Modell für interne Erweiterungen zusätzlich vier Festplattenschächte, vier PCI-Slots, wovon mindestens einer von Haus aus mit einer Grafikkarte belegt war, sowie zwei Schächte für z.B. optische Laufwerke, einer davon belegt. Die mit Abstand häufigste Nutzung der PCI-Slots war mit größter Wahrscheinlichkeit der Austausch der Grafikkarte gegen eine oder mehrere andere Grafikkarten. Die Serienkarte flog raus und wurde zu eBay-Ware oder Elektroschrott. Andere Anwendungsmöglichkeiten wie RAID- oder sonstige Schnittstellenkarten kamen deutlich seltener vor. Dass alle vier Slots belegt waren, noch seltener.

Apple hat sich beim Konzept des neuen Mac Pro wahrscheinlich genau überlegt, welche Komponenten man zwingend intern haben muss und welche außerhalb der „Zentraleinheit“ nicht vielleicht besser aufgehoben sind. War man beim Mac Pro Tower noch auf maximal vier interne Festplatten beschränkt, bietet die externe Lösung über Thunderbolt praktisch kein Limit bezüglich der Anzahl der Platten. Ein Austausch oder Wechsel ist zudem einfach und schneller möglich, je nach NAS/RAID auch im laufenden Betrieb, wobei der Tower Mac in jedem Fall für einen Festplattenwechsel runtergefahren werden muss.

Optische Laufwerke verlieren, wie weiter oben schon angemerkt, immer mehr an Bedeutung. Wer nicht darauf verzichten kann, muss sich damit abfinden, dies künftig extern am Mac Pro zu betreiben. Ein Beinbruch? Ein Deal-Breaker? Ich will nicht für andere sprechen, kann jedoch auch in diesem Punkt nicht erkennen, dass dadurch irgendjemand vor unlösbare oder nicht akzeptable Schwierigkeiten gestellt wird.

Ähnlich sieht es mit der Erweiterung über PCI-Slots aus. Thunderbolt ist im Grunde genommen nur eine kombinierte, nach außen gelegte Schnittstelle für PCI und DisplayPort. Mit Thunderbolt 2 bietet der neue Mac Pro eine Bandbreite, die für die überwältigende Mehrzahl aktueller Anwendungen ausreichen sollte. Es gibt im Bereich Grafikkarten denkbare Anwendungsfälle, welche die Bandbreite von Thunderbolt 2 klar übersteigen, aber nur weil diese denkbar sind, heißt das noch lange nicht, dass sie für eine nennenswerte Schnittmenge an Usern tatsächlich relevant sind. Der Mac Pro ist mit seinen zwei internen Grafikkarten zumindest Hardwaretechnisch voll auf der Höhe der Zeit und sollte damit eine Weile genug Leistungsreserven bieten, um hohe Ansprüche zu erfüllen.

Das Problem hier liegt eher bei der aktuellen Softwareunterstützung durch Open CL oder in Bezug auf Multi-Core-Unterstützung der CPU. Manche Anwender sind beispielsweise im Grafikbereich aufgrund der von Ihnen verwendeten Software momentan auf Cuda anstatt Open CL angewiesen, was der Mac Pro nicht unterstützt. Solange die Softwareanbieter den von Apple vorgegebenen Weg für den Mac Pro nicht mitgehen (was auch Open CL selbst betrifft), stecken manche Anwender in einer Zwickmühle: Apple bietet nicht die Hardware, die optimal für die von ihnen eingesetzte Software ist und ihre Softwareanbieter bieten keine ausreichende Unterstützung für die verfügbare Apple Hardware. Das hat für die betroffenen Anwender folgende Konsequenzen: Entweder, sie warten, bis ihre Software doch noch angepasst wird, oder sie wechseln die Software, oder sie wechseln die Plattform.

Wer in dieser Falle steckt, fühlt sich von Apple wahrscheinlich im Stich gelassen und ist dementsprechend enttäuscht. Jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass dieser harte Schnitt, den Apple mit dem neuen Mac Pro vorgenommen hat, langfristig die richtige Entscheidung war. Der 2013er Mac Pro ist hierbei nur als erste Generation einer neuen Art von Workstation anzusehen. Sollte die Softwareindustrie Apple wegen dieser Entscheidung nicht vollständig die Unterstützung versagen – was ich nicht glaube – werden Anwendungen das von Apple angebotene Hardwarekonzept mit der Zeit besser und besser ausnutzen. Ob ich damit recht habe, kann jedoch nur die Zukunft zeigen.

Wie diverse, sehr technisch orientierte Tests des neuen Mac Pro bewiesen haben (z.B. AnandTech), ist die Hardware in jeder Hinsicht konkurrenzfähig, sehr leistungsstark und bei einer genauen Kostenanalyse alles andere als zu teuer. Es liegt jetzt an Apple und der Softwareindustrie, dieses Potential auch schnellstmöglich besser auszunutzen. Apple selbst hat in diesem Punkt noch Nachholbedarf, da OS X Mavericks in einigen Punkten weniger aus der Hardware holt, als Windows 8 mit Bootcamp. Aber auch Programme wie Aperture nutzen das Potential derzeit nicht aus. Auf der anderen Seite sind es vor allem Anbieter wie Adobe, die mit ihren Quasi-Standards wie Photoshop oder Lightroom nur ungenügende Unterstützung bieten. Besserung zeichnet sich ab, aber wann genau und in welchem Umfang diese verfügbar wird, muss einfach abgewartet werden. Bei Adobe besteht zudem das Problem, dass nur Nutzer des wenig geliebten Abo-Modells (CC-Suite) in den Genuss etwaiger Verbesserungen kommen werden. – Vielleicht mit Ausnahme von Lightroom.

 

 

 

Abschließende Worte

So viel ist klar: Wer sich für den Kauf eines Mac Pro interessiert und auf den Euro schauen muss, sollte genau abwägen, ob die Hardware für den persönlichen Einsatzbereich und die verwendete Software jetzt schon einen ausreichenden Leistungsgewinn bringt und ob es andere Kriterien (wie den geräuscharmen Betrieb, die vielen Thunderbolt-Schnittstellen oder auch nur das Design etc.) gibt, welche die Investition rechtfertigen. Aber ist das nicht schon immer so gewesen? Im Unterschied zum früheren Tower-Konzept hat sich Apple dazu entschieden, neue Wege zu gehen. Es liegt ganz klar in der Entscheidung jedes einzelnen, ob er diesen Weg mitgehen will/kann, oder nicht. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, Anwendungen einsetzen zu müssen, die stets das letzte Quäntchen Leistung aus der Hardware quetschen. Leistungsreserven für künftige Anwendungen in der Hinterhand zu haben, ist nicht verwerflich. Schließlich kaufen wir auch nicht alle 30-PS-Autos, in dem Wissen, damit genauso von A nach B zu kommen, wie mit einem stärker motorisierten Gefährt.

 

 

 

Fazit

Die Einen fühlen sich von Apples scheinbarer Friss-oder-stirb-Taktik vor den Kopf gestoßen, anderen passt das Konzept das neuen Mac Pro genau in den Kram und sie sagen herzlich danke schön. Klar ist, dass der Mac Pro 2013 polarisiert. Damit gibt es auch kein allgemein gültiges Urteil. Vieles hängt zudem von der künftigen Sofwareunterstützung ab. Kritik über die fehlende interne Erweiterbarkeit, die hinten liegende Power-Taste oder postulierten Kabelsalat wird hingegen nach meiner Einschätzung keinen Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg haben, weil dies eher persönlicher Aversion als rationalen Erwägungen zuzuschreiben ist und praktisch betrachtet nicht nachvollziehbar ist.

Für mich ist dieses Stück Hardware ein echter Volltreffer und entspricht genau meiner Vorstellung von einem kleinen, leisen, effizienten und leistungsstarken Desktop-Mac. Fortschritt statt Stillstand. Chapeau dafür, Apple!

 

 

 

Plus/Minus Mac Pro 2013

+ Leistungsstarke Hardware im kompakten Format
+ leiser, fast unhörbarer Betrieb, auch bei hoher Last nie unangenehm laut
+ einzigartiges und hochwertig anmutendes Design
+ ausgezeichnete Material- und Verarbeitungsqualität
+ gute externe Erweiterbarkeit durch 6 Thunderbolt-2-Ports
+ Gigabit WLAN und Bluetooth 4.2
+ Support für bis zu vier 4k-Displays
+ vergleichsweise geringer Stromverbrauch
+ Problemloser Zugang zu RAM und SSD
+ gute Servicefreundlichkeit
+ Prozessor gesockelt
+ kann stehend und liegend betrieben werden
+ Audio-Digitalausgang erlaubt Ausgabe der Systemtöne über den internen Lautsprecher

– derzeit zu geringe Software-Unterstützung zur optimalen Ausnutzung der Hardware
– Gehäuseoberfläche sehr empfindlich für Fingerabdrücke
– keine Anbringungsmöglichkeit für Diebstahlsicherung [Edit: inzwischen, Stand Juni 2014, gibt es hierfür verschiedene Lösungen von Drittanbietern.]
– sehr hohe Aufpreise für größere Prozessor-Optionen
– momentan lange Lieferzeiten

Weiterführende Links: