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Forum>Apple>Ein Computer ist ein Computer ist kein Computer

Ein Computer ist ein Computer ist kein Computer

Weia
Weia02.11.1602:07
Hallo allerseits,

in den aufgeregten Diskussionen der letzten Tage im Anschluss an die Vorstellung der neuen Notebooks kamen besonders prominent wieder Grundkonflikte zum Vorschein, die schon viel länger viele Diskussionen bestimmen.

„Konflikte“, weil Anhänger der jeweiligen Fraktionen dazu neigen, ihren persönlichen Bedarf als einzige relevanten anzusehen und sich immer wieder zu apodiktischen Urteilen à la Braucht kein Mensch! oder Braucht nun wirklich jeder! hinreißen lassen (wobei nach meinem Eindruck die Braucht kein Mensch!-Fraktion etwas dominanter ist).

Statt mich in eine dieser vielen Diskussionen einzuklinken, dachte ich, ich liste die drei „Grundkonflikte“, die ich immer wieder sehe, hier mal gesondert auf.


1. Professionelle Computernutzung

Apple erneuert den Mac Pro nicht und lässt seine professionellen Nutzer hängen!
vs.
Man kann auf einem iPad Pro wunderbar professionell arbeiten, Mac-Computer sind ein Auslaufmodell!

Der Begriff „professionell“ verwirrt offenbar mehr als er klärt.

Statt den gefürchteten Autovergleichen hier ein Bohrmaschinenvergleich:
  • Ein Kleinunternehmer richtet sich ein neues Büro ein und nutzt eine Bohrmaschine, um seine Regale an der Wand zu befestigen.
  • Ein Handwerker bringt mit einer Bohrmaschine im Auftrag Regale an der Wand an.
  • In einem Unternehmen werden mit Hilfe einer (CAD/CAM-gesteuerten) Bohrmaschine Präzisionsteile für Kernkraftwerke hergestellt.
Alle drei Bohrmaschinen werden in professionellem Kontext eingesetzt, doch liegen Welten zwischen ihnen.

Allgemein verbindet man mit „professionell“ wohl Geräte, die in ihrer Gerätegattung hohe Ansprüche befriedigen können. Doch auch das trägt nicht weit – in meinen obigen Beispielen könnte man das auf je seine Weise ja sowohl für den zweiten (robust) als auch den dritten Fall (hochpräzise) sagen.

Letztlich hilft der Begriff „professionell“ in Diskussionen aufgrund dieser Unschärfe überhaupt nicht.


2. Mobile Computernutzung

Apple schafft ohne Not den Startton ab und damit ein wichtiges Feedback-Instrument beim Bootvorgang
vs.
Gottseidank ist dieser Startton weg, der in der Öffentlichkeit nur störend und peinlich war!

Wir leben in einer Zeit, die Mobilität geradezu zum Fetisch erhebt. Das ist seltsam, weil mit dem Internet ursprünglich aus verkehrspolitischer Perspektive die Hoffnung verbunden war, dass die Notwendigkeit, sich zum Lernen und Arbeiten an einen anderen Ort zu bewegen, stark reduzieren würde und Mobilität daher einen geringeren Stellenwert bekäme. Stattdessen fetzen jetzt sehr viele Menschen unentwegt durch die Gegend, sind aber gleichzeitig der Auffassung, selbst dann noch einen Computer und Internetzugang zu benötigen.

Aus dieser Mobil-Perspektive sind Desktop-Computer, obwohl viel weniger kompromissbehaftet, ein Auslaufmodell, Starttöne nervig und Kabel störend.

Für denjenigen, der seinen Computer an einem festen Ort nutzt, störungsunanfällig und performant fest verkabelt hat und eigentlich nur nach einer Neuinstallation des Betriebssystems oder technischen Problemen neu bootet und dann um das akustische Feedback des Starttons in diesen seltenen Fällen sehr dankbar ist, sieht die Sache ganz anders aus.

Die Differenz zeigt auch der Hinweis, dass ein iPad doch auch keinen Startton kenne. Das iPad nutzt aber eben auch iOS, das weit eingeschränkter als macOS ist und insbesondere keine Kernelerweiterungen durch Nutzer erlaubt, die zu Problemen führen können, bei denen man um das Signal des Starttons sehr dankbar ist. (Ähnliches gilt für Tastenkombinationen zu Diagnose, Reset und Wahl des Startvolumes zu Beginn des Systemstarts).


Computernutzung

Ein iPad kann niemals einen Mac ersetzen
vs.
iPads werden den Mac ersetzen bzw. tun es sogar heute schon

Das ist vielleicht der Kernpunkt – was ist ein Mac bzw. ein Computer überhaupt?

Der allgemeine Definition nach ist ein Computer ein universales Gerät, dessen Funktionalität nicht fest vorgegeben ist, sondern sich durch die darauf installierte Software ergibt.

Das ist der entscheidende Punkt für alle Kreativen – Wissenschaftler, Künstler, Ingenieure, Designer – die stets Neues schaffen wollen und deshalb oftmals Werkzeuge auf eine kreative Art neu kombinieren müssen, da es „das“ Werkzeug für ihre Neuschöpfung, da neu, eben gerade noch gar nicht gibt.

Solche Menschen kombinieren und „jonglieren“ mit den vorhandenen, oft auf einen bestimmten Bereich hochspezialisierten Programmen wie Lyriker mit Worten, oder erstellen sogar neue, wie Lyriker mit Worten.

Das sind Computernutzer im ursprünglichen Sinn. (Die Verwalter riesiger Datenmengen lasse ich jetzt mal außen vor …)

Nun hatten wir für ein paar Jahrzehnte eine Phase der explosionsartigen Entwicklung in der IT, in der viele neue Möglichkeiten – insbesondere mit dem Internet – entstanden, für die eigene Geräte zu schaffen die Industrie überhaupt nicht nachkam.

Menschen, die diese Möglichkeiten nutzen wollten, mussten daher einen Computer verwenden, der mittels Software zu solch einem Gerät gemacht werden konnte, obwohl sie überhaupt keine Computernutzer im eigentlichen Sinne waren.

Stellt Euch vor, aus irgendeinem Grund hätte es Fernseher niemals gegeben. Aber als Computer aufkamen, konnte man sie schließlich auch als Fernseher verwenden. Eine riesige Zahl von Menschen hätte daher in diesem Moment Computer gekauft.

Aber als dann der erste reine Fernseher auf den Markt kam, wären diese Menschen alle rasch zum Fernseher gewechselt. Und hätten vielleicht gesagt: Computer braucht doch niemand mehr!

Überspitzt gesagt: Wer jetzt behauptet, ein iPad könnte einen Computer ersetzen, der hat nie einen Computer benötigt, sondern nur ein Gerät zum Medienkonsum, zur Kommunikation und als Schreibmaschinenersatz.

Das ist ja völlig legitim – es sagt nur nichts über die Daseinsberechtigung von Computern aus.

Das Problem der Industrie (Apple inklusive): Über ca. 2 Jahrzehnte entstand eine riesige „IT-Blase“, in der aufgrund der technikhistorischen Konstellation Computer in riesigen Mengen an Menschen verkauft werden konnten, die überhaupt keine Computernutzer waren. Die wandern jetzt zu iPad & Co ab, und die Industrie muss sich bei Computern auf Stückzahlen einstellen, die weit geringer sind als in der „Blase“.

Ich würde mir nur wünschen, dass diese Situation in den Diskussionen hier klarer wäre, wenn wieder mal die eine Fraktion der anderen erklärt, wie falsch gewickelt sie ist.

Ich persönlich sitze an einem („alten“) Mac Pro vor einem 30"-Monitor, im Moment laufen 39 Programme, zwischen denen ich mich unentwegt hin- und herbewege, und ich habe etwa 400 Fenster geöffnet. Bevor ich diesen Arbeitsplatz durch ein iPad ersetzen könnte, würde die Hölle zufrieren …
„🦖The dinosaurs invented Jesus to test our confidence in science“
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Kommentare

maczock02.11.1603:24
Das trifft es auf den Punkt. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
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maclooser02.11.1606:35
Hört, hört. Respekt!
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kesslerpiano
kesslerpiano02.11.1607:34
Danke für den langen und klaren Beitrag. Erspart viele Diskussionen.
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Hannes Gnad
Hannes Gnad02.11.1607:39
Weia
Das iPad nutzt aber eben auch iOS, das weit eingeschränkter als macOS ist und insbesondere keine Kernelerweiterungen durch Nutzer erlaubt, die zu Problemen führen können, bei denen man um das Signal des Starttons sehr dankbar ist.
Nur gibt es halt keinerlei technischen Zusammenhang zwischen POST und dem Kernel und seinen Extensions.
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Weia
Weia02.11.1607:42
Hannes Gnad
Nur gibt es halt keinerlei technischen Zusammenhang zwischen POST und dem Kernel und seinen Extensions.
POST

EDIT: Ah, ich sehe – Power-on self-test.

Das meinte ich aber gar nicht. Ich meinte, dass, wenn mir die Kiste abfratzt und ich in den Single-User-Modus oder den Safe-Boot-Modus booten will, ich froh um ein Signal bin, wann ich die Tasten zu drücken habe und dass der Computer selbst zumindest noch lebt.

Das war wirklich nur ein Beispiel, dass Macs mit ganz anderen Komplexitäten umgehen müssen als iPads …
„🦖The dinosaurs invented Jesus to test our confidence in science“
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Legoman
Legoman02.11.1607:44
Sehr schön!
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Hannes Gnad
Hannes Gnad02.11.1607:45
Ja, wenn man vom Chime schreibt, sollte man POST oder besser P.O.S.T. schon kennen - denn der löst den aus. Das steht für Power On Self Test, und ist ein reiner Hardware-Test für CPU und RAM, den der Mac beim Einschalten als erstes durchführt. Der Kernel kommt erst viel später dran.
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maczock02.11.1607:46
Weia
Hannes Gnad
Nur gibt es halt keinerlei technischen Zusammenhang zwischen POST und dem Kernel und seinen Extensions.
POST

Power-On-Self-Test
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Garpy
Garpy02.11.1607:49
Weia, Du bist mein neuer Jesus. Bitte schreibe mehr..., Deine Weisheit kommt direkt aus einem Glückskeks.
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maczock02.11.1607:58
Hannes Gnad
Ja, wenn man vom Chime schreibt, sollte man POST oder besser P.O.S.T. schon kennen - denn der löst den aus. Das steht für Power On Self Test, und ist ein reiner Hardware-Test für CPU und RAM, den der Mac beim Einschalten als erstes durchführt. Der Kernel kommt erst viel später dran.

Ich denke er bezog sich eher darauf, dass man bei Problemen mit dem Rechner durch den Startup-Sound wenigstens feststellen kann, dass es wahrscheinlich nicht an der Hardware, sondern eher an Kexts oder sonstigen Software-Murks liegt. Wohl einfach nur unglücklich formuliert, aber es ist ja wohl jedem klar, dass der Startup-Sound auch dann ertönt, wenn gar keine Festplatte verbaut oder angeschlossen ist.

Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass das neue MacBook Pro, bei Fehlern nicht doch Warntöne erklingen lässt. Es könnte ja ein frischgebackener Käufer einfach mal zum Test sein RAM rausziehen … oh uh, da war ja was.
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Hannes Gnad
Hannes Gnad02.11.1608:17
Weia
Ich meinte, dass, wenn mir die Kiste abfratzt und ich in den Single-User-Modus oder den Safe-Boot-Modus booten will, ich froh um ein Signal bin, wann ich die Tasten zu drücken habe und dass der Computer selbst zumindest noch lebt.
Das ist ein valider Punkt, zumal solche neuen Geräte auch sonst kaum mehr ein Lebenszeichen von sich geben, wenn sie Strom bekommen: Kein optisches Laufwerk initialisiert, keine Festplatte parkt aus, keine Status-LED geht an, und nicht mal ein Lüfter läuft an - das machen die schon seit einer Weile nämlich nur noch im späteren Betrieb bei Bedarf...das ernstlich noch übrige Lebenszeichen, das man da (in der Werkstatt) nutzen kann, ist das Licht der Caps Lock-Taste oder ein USB-Stick mit Aktivitätslichtlein.
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Legoman
Legoman02.11.1608:27
Das nervt aber auch bei iPhone und co. Wenn da mal nichts geht, kann man die Knöpfe drücken, bis einem die Finger abfallen. Kein Pieps, kein sonstiges Zeichen. Ja, irgendwann kommt der Apfel. Aber wenn nun grad das Display abgemurkst ist? Stochern im Nebel!

Ich finde es äußerst seltsam, dass man wegen ein paar Nutzern (ich muss meinen Laptop in der Sitzung aufklappen und es dingelt dann und alle gucken mich an, so dass ich mir vor Scham in die Hose mache...) die Funktion generell wegschmeißt.

OT: Ich unterscheide sehr wohl zwischen Szenarien, bei denen ich einen Computer brauche (auf Arbeit für umfassende Bürotätigkeiten oder zu Hause für umfangreiche Dateioperationen) und solchen, für die eine kleine Klimperkiste ausreicht. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass viele Leute eben nicht den Bedarf an einem "richtigen" Computer haben. Das sind vermutlich diejenigen, deren Computernutzung sich auf Einschalten, Surfen, mal was Ausdrucken beschränkt und die jetzt nach Erscheinen von Tablets die große, umständliche, unverständliche, seltsame Fehler produzierende (Windows ), Staub sammelnde Kiste kaum noch verwenden.
Aber es gilt das gleiche wie immer: Man sollte sein eigenes Verhalten nicht als Maßsab für alle anderen setzen. Deswegen ärgern mich Äußerungen wie "NIEMAND braucht mehr einen Computer", "ALLES muss kabellos sein" usw. auch immer so sehr. Ich versuche mir immer vorzustellen, wie andere vielleicht denken könnten. Einfach mal über den eigenen Tellerrand spähen...
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Weia
Weia02.11.1608:39
Hannes Gnad
Weia
Ich meinte, dass, wenn mir die Kiste abfratzt und ich in den Single-User-Modus oder den Safe-Boot-Modus booten will, ich froh um ein Signal bin, wann ich die Tasten zu drücken habe und dass der Computer selbst zumindest noch lebt.
Das ist ein valider Punkt, zumal solche neuen Geräte auch sonst kaum mehr ein Lebenszeichen von sich geben, wenn sie Strom bekommen
Ja, eben. Und bei einem Mac bin ich dann eben viel verwirrter als bei einem iDevice, weil ich viel weniger weiß, woran es liegen könnte. Beim iDevice wäre fehlerhafte Software ja weit unwahrscheinlicher.

Aber wie gesagt: Das diente nur zur Illustration einer grundsätzlichen Überlegung.
„🦖The dinosaurs invented Jesus to test our confidence in science“
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Hot Mac
Hot Mac02.11.1609:13
Warum spricht man eigentlich immer vom „Chime“?
Mit ’ner Glocke respektive Glockenspiel hat der „Startton“ ja nun wirklich nichts gemein.

Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da wollten alle den Startton ausschalten.
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firstofnine02.11.1609:26
@Weia: war dieser Beitrag wirklich notwendig? Warum nimmst Du uns Nörglern und uns Apple-Marketingspezialisten die Grundlage uns gegenseitig vorzuwerfen, dass der jeweils andere ja kein "PRO" sei und man mit weniger als 128GB RAM eigentlich gar nicht arbeiten kann?? Warum klärst Du uns darüber auf, dass die Nutzer unterschiedliche Bedarfsprofile haben und manchen ein iPad als "Computer" sogar genügt? Und: warum hältst Du uns vor Augen, dass das Leben einfach Veränderung ist und "Neues" nicht automatisch "Mist" bedeutet???

Menno, Weia, Du bist sooooo gemein!
„Wann man nichts ändert, dann ändert sich nichts!“
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iNerd
iNerd04.11.1615:14
Oh Weia..
Verdammt guter Text, sehr erfrischend und so wahr. Super.
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Aulicus
Aulicus04.11.1615:36
Sehr Schön geschrieben und auf den Punkt (Standpunkte) gebracht!

Es gibt eben nich tnur Schwarz oder Weiß
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